Lila039 „Ich hatte eine Spardose für die Schönheits-OP“

Alexandra Tobor ist Autorin und Podcasterin und am liebsten nimmt sie in bester sozialwissenschaftlicher Manier gesellschaftliche Phänomene unter die Lupe. Gemeinsam betrachten wir in diesem Lila Spezial „Schönheit“ und ihre Antipode „Hässlichkeit“.

Wenn man einen guten Wein eine Weile lagert, wird er besser, nicht wahr? Vielleicht ist es mit Podcasts ähnlich? – Hoffen wir es, denn diese Folge Lila Podcast, in der ich mit Alexandra Tobor über „Schönheit“ spreche, liegt nun schon fast ein halbes Jahr. Das Thema ist allerdings zeitlos genug: Was ist Schönheit? Seit wann bedrängte uns persönlich dieses Konzept? Was hat es mit uns angerichtet und wie kommen wir da wieder raus? Was ist gesellschaftlich „schön“ und was ist es für uns? Wir packen unsere intimsten Pubertätsgeheimnisse und –ängste auf den Tisch. Wir betrachten Barbie, Disney Prinzessinnen und den Girlie-Style der 90er. Wir sprechen über Goth, Grunge und Selfies.

Nur in einer Sache wurde die Sendung von der Realität längst eingeholt: ENDLICH GIBT ES WIEDER SCHLAGHOSEN \o/
Viel Spaß beim Hören 🙂

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Alexandra Tobor
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Katrin Rönicke
Intro: CC-BY-NC-ND ProleteR “April Showers” http://proleter.bandcamp.com/

Links und Hintergründe

12 thoughts on “Lila039 „Ich hatte eine Spardose für die Schönheits-OP“”

  1. Hallo ihr!
    Ich hab mir mal eure Bilder angeschaut und von Katrin einen Vortrag auf Youtube. Für mich passen die Bilder schon zu der Art von Alexandra. Bei Katrin hab ich mir vorher immer so eine kleine mädchenhafte Frau vorgestellt. Im Video fand ich sie aber sehr professionell und stark, schon anders als ich es mir vorher gedacht hab. Ich find das gut, weil ich auch Eigenschaften oder Tätigkeiten habe, obwohl ich „nicht so aussehe“. Mir gefällt das, dass man sein kann, wie man es für sich passend findet und so aussehen kann, wie man halt aussieht oder sich stylen will. Schon allein meine Stimme ist so ähnlich zu eurer und überall wird gesagt rede mal lauter, sprich mal tiefer… nur weil man etwas mit Technik macht, muss man sich angeblich den Männern anpassen, weil Girly-Frauen mit Girly-Stimmen nicht ernst genommen werden. Sogar Männer müssen sich den Männern anpassen, denen wird auch gesagt: mach dich nicht so klein, sprich tiefer usw. Als wären wir alle in einem ständigen Kampf, besonders mit dem alpha-Männchen und deswegen müssen wir noch mehr alpha sein als das Alphatier, um erfolgreich im Beruf zu sein. Es wär viel entspannter, wenn es einfach nur um die Sache ginge.

    Ich hab das auch, dass meine Körperhaltung schon immer nicht so toll war. Ich war das älteste Kind fast überall und fühlte mich aber wie das jüngste und kleinste, das hat nur keiner gesehen. Bin halt keine Person mit „stolzer Brust“, wie man die gerade Haltung ab und zu in Sportkursen nennt. Mir fällt es immernoch schwer meine Schulterblätter zusammenzuziehen, also zur Wirbelsäule und nach unten, damit man einen geraden starken Rücken bekommt.

    Viele Grüße!

  2. Ich habe viel darüber nachgedacht, warum man Barbies schlecht finden kann. Ich kann total verstehen, dass man sich Sorgen, dass sich die eigene Tochter an den Schönheitsideal einer Barbie orientiert.
    Aber ich glaube eigentlich nicht, dass die Körperformen der Barbie so prägend für die Kinder sind, die damit spielen. In erster Linie nehmen Kinder nur einen Körper wahr… Arme, Beine, Kopf und Haare. Die Brüste lassen sie dann noch klar als Frau erkennen. Aber um so jünger die Kinder sind um so unvoreingenommener sind sie. Kinder haben noch gar keine Vorstellung von Schönheitsidealen. Und die lernen sie nicht über Barbiepuppen, sondern durch die Bewertungen, die andere Menschen Körpern geben. Ich glaube auch eher weniger, dass Kinder die „Schönheit“ der Barbie auf Menschen beziehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies zwei verschiedene Kategorien sind.
    Ich habe in meiner Kindheit sehr gerne mit Barbies gespielt und ich kann mich nicht daran erinnern, diesen Körper auf meinen bezogen zu haben.
    Was ich viel schlimmer finde ist, dass gar keine Vielfalt dargestellt wird. Es gibt nur diesen einen Körper… mit verschiedenen Haarfarben oder auch mal Hautfarben. Ich fände es viel schöner, wenn solche Puppen ein „realistisches“ Bild von Körpern geben würden, dabei spielt es für mich eher weniger eine Rolle ob bei Barbie alle Organe in den Körper passen würden, sondern vielmehr darum das es so viele verschiedene Körper gibt, die alle unterschiedlich aber alle „normal“ sind. Mein Fazit ist also, ich finde Barbies schlecht, weil sie nur einen eindimensionalen Teil von Körpern zeigen und nicht die Vielfalt miteinbeziehen.

    1. danke für diese Ergänzungen, das ist auch ein weiterer Grund: diese Eindimensionalität. Vermutlich liegt das an der Herstellung der Puppen, oder? dass es so günstiger ist.

      ich denke schon, dass spätestens ab dem Grundschulalter die Sache mit der Schönheit für viele eine Rolle zu spielen beginnt. die Tochter einer Freundin erlebte bereits in der ersten Klasse Mobbing aufgrund ihrer Figur. Die jüngste Magersüchtige, von der ich je las, war 8 Jahre alt.
      von daher kann ich leider der vorausgesetzten Unvoreingenommenheit nicht so ganz zustimmen. da sind schon recht früh recht mächtige Bilder am wirken.
      ich bin andererseits auch nicht sicher, ob ich eine Barbie wirklich wegschmeißen würde. ich sage das, um Härte zu demonstrieren. vielleicht auch, um einen Grund zur Diskussion zu schaffen – und wenn ich diskutiere, dann immer auch mit der Möglichkeit, mich umstimmen zu lassen, wenn das Argument gut ist.
      jedenfalls haben wir nun eine Lammily und das ist ziemlich super. Das Töchterchen spielt mit ihr, schleppt sie überall mit hin, erntet für sie auch Aufmerksamkeit, neugierige Blicke und Interesse. sprich: die positive Erfahrung, eine Lammily zu haben, wird sogar von außen bestätigt. 🙂
      also: es geht bislang ganz gut mit meinem Weg. das heißt nicht, dass ich ihn ohne Gnade gehen werde. ich werde berichten 😉

      1. Ich denke, Magersucht ist eine psychische und psychosomatische Krankheit und dass es nicht wirklich viel damit zu tun hat, dass man von außen auf schlank eingestellt wird. Ich denke, Magersucht hat sozusagen wenig mit Schönheit zu tun, mehr mit absoluter Kontrolle über den Körper.
        Ich stelle mir magersüchtige Menschen eher wie depressive Menschen vor, die sich umbringen wollen und deren Selbsterhaltungstrieb (wie heißt das denn?) nicht mehr so gut funktioniert. In einer Depression hat man ja eine andere Gefühlswelt und Wahrnehmung usw. deswegen ist man dann so wie man ist. Man sucht sich ja nicht aus magersüchtig oder depressiv zu werden.

        Ich versuch es anders:
        Wo ist der Zusammenhang zwischen der 8-jährigen Magersüchtigen und den Barbies?

        Ich kann mir nicht richtig vorstellen, dass ein Kind gemobbt wird, weil es nicht wie ein Model oder eine Puppe aussieht. Für mich würde sich das wahrscheinlicher anhören, wenn man sagt, dass das Kind anders aussieht oder sich verhält (vielleicht einfach schwächer, angreifbarer, als würde es sich nicht wehren?) als die meisten anderen Kinder und deswegen wurde es gemobbt. Mobbing kann doch sowieso jedem passieren, wenn man sich nicht früh genug wehrt und es dann aus den Fugen läuft? So hab ich das in dem Psychcast verstanden:
        http://psychcast.de/pc013-mobbing-im-gespraech-mit-dr-peter-teuschel/

      2. Ich glaube auch, dass Schönheitsideale schon sehr früh starke Auswirkungen auf Menschen haben können. Die Erwartung wie Mädchen oder Jungs sein und aussehen müssen werden schon an kleine Kinder gestellt, das ist wirklich traurig .
        Ich bin mir nur nicht so sicher ob der Puppenkörper der Barbie tatsächlich von den Kindern auf sich selbst projiziert wird.
        Aber das Barbie eine Körperliche Norm darstellt reicht vielleicht schon.

      3. Barbie hatte auf jeden Fall einen Einfluss auf meine kindlichen Vorstellungen von weiblicher Schönheit – aber diesen Einfluss hatte auch Minnie Maus, eine eher sportliche Type, die in neonbunten Chucks herumlief und eher schlau, gewitzt und ideenreich unterwegs war. Wenn ich damals ein Role Model hatte, dann war es Minnie Maus, und nicht Barbie, denn die war ja erwachsen. Interessanterweise habe ich Barbie immer als selbstbestimmte Frau wahrgenommen (Ken war sowas von optional!). Genau das dürfte meiner Mutter nicht gefallen haben. Nichts an dieser Puppe bereitete mich auf meine spätere Rolle als Mutter vor. Stattdessen: Materialismus. Selbst am Steuer eines Wagens sitzen! Eines ist klar: Ich konnte sie nicht haben, und deswegen wollte ich sie umso mehr. Hier finde ich ein Barbie-Verbot problematisch, wie auch ein generelles Pink-Verbot, usw. Die Kinder zahlen’s einem später heim, und zwar mit Überkompensation. Ich fand es ganz großartig, was Susanne dazu in Lila 40 gesagt hat. Dass man versuchen sollte, herauszufinden, was es ist, was das Kind an der Puppe mag. Susanne wollte diese Barbie, um ihr Kleider nähen zu können. Ich wollte sie, weil sie meine Phantasie angeregt hat, mir erlaubt hat, aus meiner grauen Sozialwohnungswelt auszubrechen. Also: bringt in Erfahrung, was eure Kinder denken, was sie wissen. Ich denke mit Grausen daran, dass ich früher BRAVO nicht lesen durfte. Ich las sie natürlich trotzdem. Für mich war es eine Musikzeitschrift, für meine Eltern eine Sex-Zeitschrift für 13-jährige: also absolut unmöglich. Mit ihrem Verbot haben sie mir nur vermittelt, dass Sex etwas sehr, sehr Schlimmes ist.

  3. Hallo,

    vielen Dank für euren Beitrag. Ich habe mich wirklich gefreut als ich gesehen habe das ihr beide zusammen eine Podcast aufnehmt. Denn immer wenn ich eine von euch höre hatte ich hinterher neue Erkenntnisse. Danke dafür !

    Falls Ihr Zen Pencils noch nicht kanntet, dort gibt es einen sehr schönen Comic dazu:
    http://zenpencils.com/comic/frida/

  4. Auch hier habt ihr euch in mein Herz getalkt. Eine großartige Folge, die man aufgrund sehr persönlicher Geschichten kaum diskutieren kann.
    Ganz toll!

    Und einen interessanten Gedanken nehme ich auch mit.
    Es stimmt mit meiner Beobachtung überein, dass heutige Jugendliche keine Antikultur mehr haben. Zu meiner Zeit war es Goth, wozu ich mich auch zählte.
    Schwarze Fingernägel, langer Ledermantel und ganz viel am subkulturen.
    Wenn ich mich heute so umsehe, sind gefühlt wenig Goths, Punks etc. auf den Straßen. Ich halte mal die Augen danach offen, ob sich der Eindruck weiter hält, wenn ich mehr darauf achte.

    Danke für fast zwei interessante Stunden!

  5. Vielen Dank an Alexandra Tobor, die so offen von ihrer Kindheit spricht und auch euer Gespräch über den sogenannten Lookismus.

    Ich kann mir entfernt vorstellen, wie sich Alexandra gefühlt haben muss, denn auch meine Kindheit (nur eben auf der männlichen Seite) war geprägt von „du siehst scheiße aus.“ „niemand könnte dich je mögen.“ oder so Dingen wie „Ne, du bist zu klein, mit dir will ich nichts zu tun haben.“

    Daher kann ich mir gut vorstellen, was so etwas mit einem macht und wie sehr einen das verunsichert.

    Meiner Erfahrung nach können diese Kränkungen so stark sein, dass wenn dann mal jemand kommt, der es gut mit einem meint, man dieser Person gar nicht erst glaubt, sondern hinter der nächsten Ecke einen Hinterhalt vermutet.

    Es ist erschreckend, wenn dann nicht einmal die Unterstützung von Eltern oder Freunden da ist. Wo soll denn ein Kind in Zweifelsfalle Akzeptanz finden, wenn nicht bei den Eltern?

    Ich finde diese Folge sehr wichtig, wenn es darum geht zu zeigen: „Egal wie groß, kein, Dick, dünn, laut oder leise.“ es gibt keinen Grund sich deswegen zu schämen.

    und nochmal zum Lookismus: Ein zweiter und dritter Blick lohnt sich.
    Mir wären ein paar tolle Menschen im Leben entgangen, wenn ich nach dem ersten echten realen Eindruck das weite gesucht hätte.
    Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich nach Monaten der Onlinekommunikation eine Person das erste Mal persönlich traf und zu tiefst enttäuscht war, weil sie so gar nicht dem Bild entsprach, das ich in meinem Kopf hatte.

    Meine erste Reaktion war es, umkehren zu wollen und direkt wieder weg zu fahren, aber dann habe ich mir gesagt, dass diese ganzen tollen Texte nicht einfach bedeutungslos sein können und habe einen Tag mit einem Menschen verbracht, den ich ganz neu kennengelernt habe und der aus meinem Freundeskreis nicht mehr weg zu denken ist.

    Dieses Bild im Kopf ist vermutlich ganz schön verklärt durch Werbung, Medien, Klischees, die sich festgefressen haben.

    In Zeiten von Tinder-Selbstdarstellung, Photoshop und Co geht zu oft verloren, dass das Glück manchmal Übergewicht, Segelohren oder ein kaputtes Knie haben kann

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