Lila072 Schwierige Konversationen, Männer und Schach

Wie geht man damit um, wenn ein Gegenüber absolut unzugänglich für Argumente ist? Warum hören Mädchen mit dem Schachspielen auf? Droht der Untergang der Männer? Dürfen Feminist_innen sich zu Neurobiologie äußern? Und Margaret Atwoods „Report der Magd“.

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Susanne Klingner
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Katrin Rönicke
Intro: CC-BY-NC-ND ProleteR “April Showers” http://proleter.bandcamp.com/

 

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23 thoughts on “Lila072 Schwierige Konversationen, Männer und Schach”

  1. Hallo ihr Lieben,
    ich steige auf das Thema Frauen und Coding ein.

    Ich habe mich darin für eine Hausarbeit eingearbeitet mit den zwei Fragen beschäftigt: wieso war Computern erst Frauensache und dann doch nicht mehr?
    Ich möchte das meine geleistete Arbeit zur Verfügung stellen : )
    Unter folgenden Link habe ich meine Hausarbeit gepackt „The Computer Girls“ (29 Seiten), sowie einen Artikel von Nathan Ensmenger „Making Programming Masculine“ (29 Seiten) und einen Cosmopolitanartikel von 1967, der Programmieren als DEN neuen, lukrativen Frauenberuf verkündete.

    Wer tiefer einsteigen möchte, dem kann ich folgende Bücher empfehlen und als PDF zukommen lassen: Janet Abbates „Recoding Gender – Women’s Changing Participation in Computing“, Nathan Ensmengers „The Computer Boys Take Over“ und Thomas Misas „Gender Codes: Why Women Are Leaving Computing?“

    Cheers to everyone
    Marie

  2. Hallo!
    Ich wollte etwas ergänzen.
    (Und Marie, der Link fehlt noch und würde mich auch interessieren!)

    Zu dem was Ihr in Bezug auf Physik gesagt habt, als ein Beispiel von Wissenschaften, in denen (angeblich) Geschlecht keine Rolle spielt. Ich fand das schade, denn es gibt sehr interessante Forschung dazu, nicht nur dazu, dass weniger Frauen in diesem Bereich arbeiten (bisher), sondern eben auch dazu, wie physikalisches Wissen in gesellschaftliche Verhältnisse eingebettet ist. Eine Zusammenfassung von Forschung findet sich hier: Götschel, Helene (2010): Physik: Gender goes Physical. Geschlechterverhältnisse, Geschlechtervorstellungen und die Erscheinungen der unbelebten Natur. In: Ruth Becker und Beate Kortendiek (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. 3. erweiterte und durchgesehene Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (Geschlecht & Gesellschaft, 35), S. 834–842.

    Und aktuell vielfach diskutiert wird Karen Barad, selbst promovierte theoretische Physikerin, die sich u.a. damit beschäftigt, wie Forschungssubjekt und Forschungsobjekt in Prozessen entstehen.

    Viele Grüße!
    Anna

    1. danke! das stimmt natürlich und ich hätte auch beinahe eingehakt, weil auch im Bereich Schule ja lange schon dazu geforscht wird, wie im Physikunterricht die Mädchen (ähnlich dem Schach) aufgrund von Stereotype Threat benachteiligt sind.
      hier ging es aber doch vielmehr um die Absurdität, dass/wenn Frauen Kompetenz abgesprochen wird. insofern bitte diesen Einwand als „sollte keine Rolle spielen“ verstehen – natürlich spielt Geschlecht vielfach eine. und danke für die Ergänzungen dazu.

    2. Liebe Anna,

      das interessiert mich sehr! Denn das Frauen in der Physik (so wie in den Wissenschaftskarrieren allgemein / und wie Katrin schreibt: im Physikunterricht) immer wieder benachteiligt werden, ist klar, aber wie Ergebnisse aus physikalischen Experimenten unterschiedlich interpretiert werden können, je nachdem, ob da eine Frau oder ein Mann steht, dafür fehlt mir im Moment noch die Fantasie. Gleichzeitig wird es mich in den kommenden Wochen nicht in eine deutsche Bibliothek verschlagen, deswegen: Hast du vielleicht ein anschauliches Beispiel?

      Sehr spannend, danke für die Ergänzung & schöne Grüße, Susanne

      1. Hallo Susanne,
        du musst keine Fantasie aufwenden um zu überlegen, ob Männer und Frauen physikalische Experimente unterschiedlich interpretieren.
        Aus langjähriger Erfahrung als Physiker, der mit einer Naturwissenschaftlerin verheiratet ist kann ich nur sagen, dass das nicht stattfindet.
        Die Art zu diskutieren variiert, wie bei allen Menschen.

      2. So war das von mir nicht gemeint, also dass Frauen Ergebnisse anders interpretieren als Männer. Es ging mir um Fachkultur, Physikgeschichte, Anwendung, Vorbilder und Vermittlung (hier youtube statt Bibliothek: https://www.youtube.com/watch?v=jdroi9BuUg4)
        und Epistemologie, das heißt, wie es zu Erkenntnissen kommt und da sieht Barad z.B. Parallelen zwischen performativem Verständnis diskursiver Praxen und beobachtbaren Prozessen in der Physik, die erst im Prozess der Beobachtung entstehen. Freue mich sehr, über weitere Erklärungen von Physikern und Physikerinnen, denn ich bin selbst keine.
        Viele Grüße!
        Anna

  3. Ihr habt ja von Schach geredet und das ist natürlich „serious business“. Es gibt aber jenseits des Schachs im Nerdkulturbereich das Tabletopspielen. https://de.wikipedia.org/wiki/Tabletop

    Schon vom Ursprung her war das halt auch für picklige Jungs, die sich in Fantasiewelten flüchten wollten und den Herrn der Ringe gut fanden. Damit wurden Frauen und Mädchen von vorneherein erst einmal nicht wahr genommen. In der größten und bekanntesten Spielserie Warhammer 40.000 (40k) gibt es genau eine menschliche Armee mit Frauen und die wird vernachlässigt. Alle anderen weiblichen Gestalten sind Aliens. Allerdings spricht die absolut graue, grausame Welt von 40k immer weniger Menschen an, und Frauen anscheinend umso weniger.

    Das Problem ist in der Industrie, die da dahinter steht und dem Fantum bekannt. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass die Themen der Spiele und deren Ästhetik direkt mit dem Zuspruch durch Frauen zu tun hat. Ich selbst spiele Infinity, das früher gerne Pin-Up Models hatte, aber immer mehr zu toughen Frauenfiguren neigt. (Inklusive Kampffeministinnen: https://catalog.infinitythegame.com/nomads/ver/280559-0391-riot-grrls#menuAnchor und Schottischen Spezialagentinnen: https://catalog.infinitythegame.com/ariadna/ver/280107-0018-uxia-mcneill-boarding-shotgun#menuAnchor )

    Es gibt da draußen ganze Hobbywelten, deren männliche Betreiber sich nicht bewusst sind, dass sie männerbündisch sind. Ich habe auch erlebt, dass sich bei Malifaux und Infinity die weiblichen Teilnehmer mehren, aber auch alle Angst haben, dass sie die komplexen Regeln und Strukturen des Spiels nicht verstehen. (Dabei tun wir Jungs das auch nicht. Die wichtigste Sache in der Armeetasche ist das Regelbuch.)

    Hm, ich glaube aber, dass ich das mal strukturiert aufschreiben werde.

    1. ich bin gespannt! dass diese Mechanismen auch anderswo auftreten, ist nur logisch. und natürlich gibt es genauso „männliche Clumsyness“ in „Frauendomänen“… beides steht in vielen Bereichen noch am Anfang, aber je mehr man drüber nachdenkt und redet, desto besser – hoffe ich 🙂

  4. Vielen Dank, dass ihr meine E-Mail thematisiert habt und natürlich für den Buchtipp.

    Ich werde die Zuhörstrategie und das persönliche Gespräch definitiv ausprobieren. Bisher habe ich nämlich auch immer dem, von Susanne erwähnten, Reflex unterlegen. 🙂

    Die Kommunikationsratgeber für Erwachsene an Kinder ist ein guter Hinweis. Da es ohnehin gut in mein Studium der Sozialwissenschaften passt. Habt hierzu evtl. noch Büchertipps?

  5. Wenn ich ein Thema vorschlagen darf, welches Wissenschaft (oder nicht) und Geschlechterrollen verbindet: HPV-Impfung
    1. Populisten (Trump, in Italien 5-Sterne Bewegung) hetzen gegen Impfung („Big Pharma Verschwörung“, diskreditierte Impfung-verursacht-Austismus-Studie)
    2. f. Jungs neben Mädchen? (a) wenn nur 70% Mädchen sich impfen lassen, hat es Sinn, auch Jungs zu impfen, um Verbreitung des Virus zu vorzubeugen (b) in Finland (?) waren 30%(?) der Männer mit Halskrebs mit HPV infiziert, Impfung wäre sinnvoll, aber so zu machen bedeutet, dass Jungs/Männer Oralsex haben, mit Frauen oder (der Horror ) mit anderen Jungen/Männern (c) falls Jungs schwul „würden“, worüber kaum geredet wird….
    Was meint ihr? Danke wie immer f. die tolle Sendung und noch einmal Entschuldigung Barbara ggü

  6. Ich hab nicht alle Folgen gehört, aber vielleicht hattet ihr das ja noch nicht als Thema – zum Stichwort „schwierige Konversationen“ ist mir noch eingefallen: Mich würde interessieren wie ihr die psychologischen/gesellschaftlichen/was auch immer Mechanismen hinter Frauen seht, die sich explizit gegen den kleinsten Funken Feminismus wehren. Die z.B. nicht wollen, dass man, wenn man explizit Frauen anspricht auch „Autorin, Chefin“ etc schreibt. Die bei Veröffentlichungen lieber den Chef, der unter Umständen die Arbeit gar nicht gemacht hat als Autor sehen wollen. Die, direkt zum Interview angefragt, weil Expertin zu einem bestimmten Thema, an den männlichen Kollegen weiterleiten. Frauen, die argumentieren: Ich bin da nicht so, ich fühle mich da nicht benachteiligt, ich definiere mich nicht über das FRausein sondern meine Leistung“ etc. You geht the point. Vielleicht kennt ihr solche Frauen auch? Mich lassen sie ratlos zurück.

  7. Zu Coding und Geschlecht: Zeitlich passt die Argumentation nicht mit den Fakten zusammen, soweit ich das übersehe.

    Vom Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre kenne ich einige Namen von Informatikern/Programmierern, die bekannt geworden sind (Dijkstra, Ritchie, Kernighan, Stallmann, …) – außschließlich Männer. Homecomputer kamen erst später auf, können also nicht die Ursache dafür sein.

  8. In Sachen „Die Wissenschaft muss sich auf Kritik immer einlassen“ macht ihr es euch zu einfach. Ich habe das Gefühl, dass gerade im Rahmen der Esoterik und Religion so viel gequirlter Quatsch kommt, dass es einem Denial-of-Service-Angriff nahe kommt, wenn die Wissenschaft dem Hunderttausensten erklären muss, warum Homöopathe völliger Unsinn ist oder dass die Erde nicht vor 6000 Jahren erschaffen wurde. Auf offensichtlichen Schwachsinn muss man meiner Meinung nach nicht weiter eingehen, insbesondere wenn es schon x-mal gemacht wurde.

    Und ich kann auch gut verstehen, dass Anmerkungen aus Richtung der Feministen zum Teil als rein ideologisch erscheint. Thesen kommen oft Glaubenssätzen gleich und Kritik bekommt man leich links und rechts mehr als unfreundlich um die Ohren gehauen. Das Thema kennt ihr ja auch.

    Für einen Wissenschaftler kann es also schwierig sein, zwischen ernsthafter Kritik und völligem Schwachsinn zu unterscheiden. Und da auch Wissenschaftler nicht unfehlbar sind, Lebenserfahrungen gemacht haben und gesellschaftlichen Beeinflussungen unterliegen, kann nicht gelten, dass sich die Wissenschaft IMMER auf Kritik einlassen muss. Sie ist trotzdem Wissenschaft.

    1. vorweg: ich finde es schwierig, feministische Einwürfe in wissenschaftliche Arbeit auf eine Stufe mit Pseudowissenschaft und Esoterik zu stellen.
      zu sagen, man könne sich nicht auf alle Kritik einstellen, ist IMHO die Einstellung, die es sich viel einfacher macht. zumindest klingt es in meinen Ohren so, da du nicht weiter explizierst, wie du trennst. also wird es im Zweifel willkürlich – der/die Wissenschaftler_in könnte dann nach Gusto entscheiden, welche Kritik ihm/ihr passt und was sie als „Ideologie“ abtut. und genau auf dieses Problem zielt der Einwurf des Guadians ab und auch meine Ausführungen dazu.
      was du meinst, ist dass es Methoden der Unterscheidung braucht. Unterscheiden willst du zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft und wir können hier ganz wunderbar auf den großen Karl Popper und alle Ansätze der Wissenschaftstheorie zurückgreifen. denn dieses Problem ist nicht neu und eine Menge sehr kluger Köpfe haben darüber nachgedacht!

    2. (zu schnell abgeschickt)
      wichtig bei Popper ist: Eine Theorie kann nach Popper nur dann empirisch sein, wenn es möglich ist, dass ihr Beobachtungssätze widersprechen. Falsifizierbarkeit ist das Zauberwort und ja: das mag für Naturwissenschaftler_innen unbefriedigend sein, aber es ist bis heute in der Tat eine der wenigen wissenschaftlichen Methoden, die verhindert, dass Wissenschaft selbst ideologische Züge annimmt.

      1. Interessanter Podcast 🙂
        Warum sollten falsifizierbare Theorien ausgerechnet für Naturwissenschafler unbefriedigend sein? So arbeitet die doch (oder zumindest wurde es mir in meinem Studium so erklärt).

  9. Ja, ideologische Züge ist das richtige Stichwort. Das Problem an Feminismus, Gender Studies usw. ist, dass sie nach außen hin sehr ideologisch wirken. In der Wikipedia z.B. kann man nachlesen, dass Kritiker den Gender Studies vorwerden, eben KEINE Wissenschaft zu sein, sondern ideologische geprägt seien.

    Diese Kritik an den Genderwissenschaften halte ich für falsch, d.h. ich denke, dass man die Geschlechterunterschiede wissenschaftlich untersuchen kann und sollte und für Gleichstellung kämpfen muss. Und ich persönlich denke auch, dass in der Wissenschaft genau die von euch angeführten Argumente (z.B. Bias in der Fragestellung) mehr gehört werden sollen und sinnvollerweise Fehler möglichst von vorne herein ausgeschlossen werden sollten. Da bin ich absolut bei euch.

    Ich weise nur auf den Umstand hin, dass es Wissenschaftler gibt, die aus gutem Grund nicht auf jede Kritik eingehen. Und dass es genügend Leute gibt, die Feminismus aufgrund ihrer Erfahrungen und ihres sozialen Umfeldes als ideologisch wahrnehmen. Und dadurch wird es sicherlich auch Menschen in der Wissenschaft geben, die deswegen nicht auf Kritik aus Richtung der Feministen eingehen.

    Nun zu sagen, dass Wissenschaft erkennen muss, ob Kritik aus einer bestimmten Richtung berechtigt ist oder nicht, scheint mir zu einfach. Klar, man kann Popper daneben halten – aber auch das ist interpretierbar (siehe oben, die Kritik an den Gender Studies), weil wir als Menschen die Dinge auch immer im eigenen Kontext lesen und verstehen. (So hatte ich nicht die Absicht, Feminismus und Esoterik gleichzusetzen – trotzdem hast du, Katrin, es anscheinend so verstanden).

    Ich bleibe bei meiner Aussage: Für die Wissenschaft kann es schwierig sein, zwischen Schwachsinn und berechtigter Kritik zu unterscheiden. Ich glaube auch nicht, dass die meisten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen absichtlich sinnvolle Argumente ignorieren, sondern dass sie glauben, Schwachsinn auszufiltern.

    Wir sollten uns also die Frage stellen, wie wir es schaffen können, Erkenntnisse aus den Genderwissenschaften in die Studien einfließen zu lassen um Fehler zu vermeiden und Wissenschaftlichkeit zu wahren. Wieso gibt es viele Wissenschaftler, die Kritik aus dem Lager des Feminismus ablehnen? Was können wir dagegen tun? Reicht es, mit dem Finger auf die Wissenschaftler zu zeigen und zu sagen: „Wenn ihr mein Argument nicht beachtet, seid ihr unwissenschaftlich?“ Ich glaube nicht.

  10. Die neue Serie „the handmaid’s tale“ läuft auf Hulu
    https://www.hulu.com/the-handmaids-tale
    Und man kann zumindest reinschauen ohne gleich zu bezahlen.

    Ich habe das noch nicht getan, werde es aber sicher.
    Mich hat das Buch damals sehr beeindruckt. Die Schlöndorff Verfilmung war mir zu kurz. Ein Film ist meist zu kurz um einen Roman wirklich abzubilden, das kann einer Serie eher gelingen.

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