Lila077 Antisemitismus im Feminismus

Seit Judith Butler im Jahr 2012 den Theodor-W.-Adorno-Preis der Stadt Frankfurt am Main entgegen genommen hat, ist das Thema Antisemitismus innerhalb des Feminismus auf dem Tisch. Butler unterstützt die Boykott-Kampagne BDS – und sie ist nicht die einzige…

Vier Jahre später, als 2016 mit #ausnahmlos ein Bündnis gegen Sexismus und Rassismus gebildet wurde, standen neuerlich feministische Vertreterinnen in der Kritik: Linda Sarsour, Laurie Penny und Angela Davis seien kritisch zu sehen, meinte etwa die Amadeu-Antonio-Stiftung, und es sei schade, dass der Antisemitismus im Aufruf keine Rolle spiele.

In dieser Sendung geht es daher um die Fragen: Was ist BDS? Ist der Boykott von Produkten oder Künstler_innen aus Israel antisemitisch? Ist Linda Sarsour auf der sicheren Seite, wenn sie sich Anti-Zionistin nennt? Wie kann man zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus unterscheiden? Und wie sollen feministische Bündnisse in Zukunft mit dem Problem umgehen?

Unsere Gesprächspartnerinnen:

Musikbett: @koloto, Fox Tales (CC BY-NC-SA 3.0) Koloto auf FacebooK

 

Links und Hintergründe

  • Youtube: Antisemitismus erklärt: Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schwarz-Friesel

 

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69 thoughts on “Lila077 Antisemitismus im Feminismus”

  1. Sehr viel dreht sich hier darum, dass diverse englischsprachige Feministinnen BDS unterstützen.

    Dazu ist es wichtig zu verstehen, dass in den USA BDS nicht per se als antisemitisch gilt. (Ich möchte mich jetzt nicht in die Frage vertiefen ob ein Boykott Israels per se antisemitisch ist, das ist nicht der Punkt.)

    Wer sich in Deutschland zu BDS bekennt wird idR mit dem Antisemitismuslabel beklebt, weis das vorher und kann damit umgehen. In den USA ist das nicht so.
    Dass eine Ablehnung israelischer Politik nicht per se antisemitisch ist, wird auch von vielen amerikanischen Juden getragen, denen die nationalreligiöse Mischpoke um Netanjahu so richtig auf den Sack geht.
    Es wird mehr eine deutliche Analogie zu Südafrika gezogen das ja auch lange international Boykottiert wurde.

    In Deutschland ist „jeder sollte krankenversichert sein“ kein kontroverser Standpunkt. Bis Bernie Sanders das auf die Agenda gesetzt hat war das in den USA ein politisch schwer vertretbare Position und man war damit borderline Kommunist.

    1. das stimmt. die Vergleichbarkeit Deutschland/USA/GB ist nicht unbedingt gegeben. Aber so ganz will mir nicht einleuchten, warum es in den USA weniger antisemitisch sein sollte, BDS zu unterstützen, als hier. Klar: Es ist eine Frage des kulturellen Bewusstseins und klar: Mit der Politik Netanjahus nicht einverstanden zu sein, muss möglich sein!
      nur: viele der Einstellungen, etwa Butler, Sarsour oder auch Penny, kommen von einer komplett einseitigen Betrachtung dessen, was passiert. Eine Betrachtungsweise, die starr in Täter und Opfer einteilen möchte – nur so kann man schließlich die Ablehnung, den Boykott und die Isolierung argumentieren. Und wie Frau Schwarz-Friesel sagt, gehört zu dieser Täter-Charakterisierung eine ganze Menge Phantasie – zur Opfer-Stilisierung übrigens auch. Es ist das *Gerücht* über die Juden, nicht die differenzierte Auseinandersetzung mit dem Nahost-Konflikt, das hier zum Tragen kommt. Und damit wird es dann auch egal, ob man aus Deutschland kommt oder aus den USA oder aus GB – es ist Antisemitismus – ob einem das bewusst ist oder nicht.
      Bei holgi drüben hat hilti sehr schön geschrieben:

      „Mir ist noch was eingefallen. Es gibt zwar keine Irankritik wie ihr so schön feststellt, aber im selben Boot wie die Israelkritik sitzt die Islamkritik. Dahinter verstecken sich auch Leute, die eigentlich was anderes meinen.“

      und inzwischen sehe ich die Sache so: The problem is not that I see antisemitism everywhere. The problem is that you don’t.

      ob dieses Nichtsehen jetzt kulturell begründet ist (wie Sexismus, Islamophobie und viele andere Ismen ja auch) ist dabei doch schnurz. oder?

      1. Ich sag nur, die Debatte hat das dort drüben noch nicht entschieden, nicht jeder der sich kritisch zu Israelischer Politik äußert unterstützt auch BDS, es ist ein bisschen wie der Sprung von „ich lehne das ab“ und „ich tue aktiv was dagegen“.

        Man kann in diesem kontext völlig selbstverständlich sagen „ich unterstütze BDS weil meine Regierung tut nix, also tu ich was“ und „natürlich setze ich mich gegen Antisemitismus ein“. Ich kenne sogar ein paar. Sind ansonsten sehr nette Menschen.
        Wir sollten uns im klaren sein es vor allem eine Frage des gesellschaftlichen Drucks ist der hier für alle klar BDS=antisemitismus
        definiert, nicht weil das jeder intellektuell ausdiskutiert und verstanden hat. Sobald der Druck ausreichen ist kann man erstmal davon ausgehen das sich nur Antisemiten zu BDS bekennen und dafür einen Deckmantel suchen. Mein Argument ist das das in den USA noch nicht passiert ist (und vielleicht nicht passieren wird?).

        Man sollte nur wissen das es hier auch ein risiko gibt und man vielleicht durch die hintertür antisemitismus wieder salonfähig macht. In den worten von slatestarcodex: “ I even sort of worry about this in terms of things like the Scientists’ March Against Trump. The hope is that people who like Science will stop liking Trump. But the other possibility is that people who like Trump will stop liking Science.“

        Wir sollten nicht vergessen das sich der englische Sprach- und Debattenraum nen scheiß dafür interessiert ob in Deutschland BDS=antisemitisch gilt oder nicht. Die meisten können das auch garnicht lesen.

        Zwei Berührungspunkte zu feministischer Theorie sehe ich:

        -Ein eindeutige Einteilung ist Unterdrücker und Unterdrückte ist allerdings eine Sache die dem Feminismus nahe liegt (Stichwort Frauen als klasse), und es wird schwer die größte Militärmacht im mittleren Osten als Unterdrückte zu definieren.
        -Wenn man „das private ist politisch“ entsprechend auslegt kann eine ablehnung Israelischer Politik als aktiver Handlungsanspruch verstanden werden und so schließt man sich der einfachheit halber dann der nächsten Bewegung an. (bei öffentlichen Personen reicht da ja auch eine öffentliche Positionierung)

        1. die beiden Berührungspunkte, die du da nennst, bilden super Hypothesen, zur Frage nach dem warum: Warum sind sich beide im Anglo-Raum so nahe?

          1. Die version von Intersektionalismus die ich im englischen sehe heißt verkürzt „Du kümmerst dich um alle unterdrückten (Frauen/schwarze/homo/trans/…), oder keine“ und formuliert das auch explizit als Anklage an den einzelnen.

            Ich halte das bedürfnis das ALLE bei ALLEM auf der „richtigen Seite“ stehen müssen bevor es losgeht für hoch toxisch, weil es in Sektierertum ausartet und nur kräfte bindet, anstatt das man aushält, dass Menschen mit denen man beim Womens March war bei anderen Demos halt auf der anderen Seite mitlaufen.

          2. @blub
            Rein logisch kann ich dein Argument verstehen, dass es unsinnig ist besser nichts als ein bisschen zu tun.
            Aber in dem Fall von BDS wird ja nicht nur ein bisschen getan, sondern so ziemlich zum äußersten Mittel gegriffen, das für den Normalbürger verfügbar ist. Das wäre ja unspektakulär, wenn das ein paar Leute wären, aber es sind nunmal extrem viele Menschen, die das tun, während die Zahl an Menschen, die ein Produkt oder Künstler aus anderen Ländern boykottieren wahrscheinlich nur zweistellig ist. Es ist also nicht eine individuelle Unvollkommenheit, sondern eine massive strukturelle Schieflage.

            Und auch das wäre ja vielleicht noch irgendwie nachvollziehbar, wenn die Vergleiche, die als Argument herangezogen werden, nicht so extrem hinken würden – allen voran der Apardheid-Vergleich:
            Israel ist eine Demokratie, Südafrika war eine Diktatur. Ein Boykott Südafrikas hat zuerst die unterdrückende Elite getroffen. Teil der Unterdrücker war man in Südafrika als Weißer, sobald man nicht gegen das System gearbeitet hat. In Israel dagegen kann man als Israeli problemlos gegen die Politik Netanjahus sein, weil Israel ein freies Land ist (und die Opposition existiert wirklich – die letzte Wahl war extrem knapp). In Südafrika hattest du als Weißer fast automatisch ein privilegiertes Leben und hattest nichts zu befürchten. Als Israeli musst du in permanent mit Gefahr rechnen und weißt noch dazu, dass militante Menschen nicht weit weg deinen Tod wollen.

            BDS ist also keine „Israelkritik“, sondern eine einseitige Stellungnahme ohne Diskursbereitschaft, denn wer böse und wer gut ist, ist ja schon entschieden…

          3. njorg, ich weis das alles.
            Wenn du was tun willst: Übersetz den text auf englisch und pflaster das englischsprachige facebook damit zu.

            Die wenigsten die ich sehe setzen Südafrika und Israel gleich. Das Argument ist: hat dort funktioniert, kann vielleicht auch hier funktionieren.
            Das sind für Zivilgesellschaftliche Verhältnisse große Geschütze, da hast du recht, aber du kannst in den USA leider keinen Politiker wählen der nicht dicke Militärhilfen (im Moment 3Mrd/Jahr) an Israel durchwinken will, der politische Weg ist da im Moment absolut tot.
            Hier kann man Politker wählen die Israel kritisieren, und Deutschland sponsort nur alle paar Jahre 200 Mio für ein hier gekauftes U-Boot (aka ne verdeckte Industriesubvention).

  2. Die These, dass jede Kritik an Israel oder am Zionismus antisemitisch ist, kann nur bestätigt werden, wenn Israel ein perfekter Staat ist. Ich denke, dass alles sich darauf einigen können, dass dem nicht so ist. Es muss also auch legitime Kritik am Staat Israel geben dürfen.
    Klar stellt sich die Frage, weshalb sich viele Mitteleuropäer so stark um den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern kümmern. Eine These, die ich in diesem Podcast nicht gehört habe ist, weil Israel massgeblich durch Europäische Auswanderer gegründet wurde. Zudem entspinnen sich um diesen Konflikt immer auch Debatten, da es bezüglich dieses Konfliktes eben keine Einigkeit gibt. Es gibt in fast allen politischen Lagern Personen die sich mit Israel solidarisieren und Personen, die sich mit den Palästinensern solidarisieren. Ich bin damit einverstanden, dass es unter den Israelkritiker*innen Menschen gibt, die mit der Israelkritik ihren Antisemitismus überspielen. Wer aber behauptet, dass dies bei allen Israelkritiker*innen der Fall sei, will einfach mit einem Totschlagargument die Debatte beenden. Es gibt aber auch auf der Pro-Israelischen Seite Personen, die ihre Israelsolidarität missbrauchen um die Muslimfeindliche-Haltung zu verdecken. Dies bedeutet aber nicht, dass alle die sich mit Israelsolidarisieren eine rassistische Grundhaltung haben.

    1. „Wer aber behauptet, dass dies bei allen Israelkritiker*innen der Fall sei, will einfach mit einem Totschlagargument die Debatte beenden.“

      was hier ja niemand behauptet hat.

      1. Es gibt in diesem Podcast keine Antwort auf die Frage, wie man Israelkritik von Antisemitismus unterscheiden kann, aber viele Aussagen, dass Israelkritik nur verdeckter Antisemitismus sei.

        1. Israel-Kritik kommt ohne Hyperbeln aus, ist nicht so obsessiv und verzichtet auf Stereotype und Einseitigkeit. die Heftigkeit macht den Unterschied.

  3. Sehr interessant. Bestimmt auch ziemlich aufwendig im Bezug auf Recherche und O-Ton sammeln. Danke dafür.

    Beim Thema christlicher Feminismus musste ich an meine Kindheit in einer Freikirche denken.
    Die „feministische Seite“ von Jesus in der Abgrenzung zu den „Juden“ ist auch noch bis weit in reaktionäre christliche Kreise hinein ein beliebtes Argument.
    In der Gemeinde im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, in der ich aufwuchs, gehörte das fast schon zum guten Ton. Wann immer das eigene Gottesbild in der Gefahr stand, in einer allzu scharfen Betrachtung durch die feministische Brille Schaden zu nehmen, wurde darauf verwiesen das Jesus die Frau ja doch schon ziemlich gut (von den Juden) befreit hätte. (Ehebrecherin-Gleichnis etc.)

  4. Liebe Kadda,

    Die Sendung ist ein Meilenstein, Danke! Sowohl inhaltlich (Ich habe sie nicht als „lange und schwierig“ empfunden.) als auch was die (bemerkbar) aufwändige Produktion angeht. Für mich ein weiterer Beweis der impliziten Grundthese des Lila Podcasts, dass das Medium Podcast ein besonders geeignetes ist, um gerade auch solche sperrigen Themen in einer positiven Atmosphäre zu behandeln.
    Ganz herzlichen Dank hierfür (& natürlich auch die ganzen anderen Folgen)!

  5. Es war eine sehr erhellende unf unheimlich wichtige Sendung.
    Meinerseits sind zwar noch nicht alle Unsicherheiten beseitigt (aber vielleicht käme das, wenn ich endlich die Zeit hätte, Mich näher damit zu beschäftigen), aber ein paar Sachen sind mir sehr viel klarer geworden. Danke dafür:-)

  6. Aufschlussreich, erhellend, interessant. Endlich mehr Klarheit im Verständnis einer Debatte, die von weitem mit Interesse mitverfolgt habe.

    Merci!

    1. Hallo Sabrina,

      nix wird aufgegeben, es wird in Zukunft solche und solche und solche Sendungen geben. Je nachdem, welches Format am besten passt.

      Wir hoffen, du hörst weiter rein,
      viele Grüße, Susanne

  7. Moin,

    das war eine gut investierte Stunde. Der beste Podcast seit längerem. Toll produziert und inhaltlich Augen öffnend. Danke dafür. Die Arbeit hat sich definitiv gelohnt!

  8. Ich frag mich, wie eng Judith Butler sich mit Israel verbunden fühlt. Wenn einer etwas am Herzen liegt, dann schlägt eine bei der Kritik wahrscheinlich auch über die Strenge.
    Ich kritisiere Deutschland auch stärker als andere Länder.

  9. Vielen Dank für die Sendung. Es war interessant sie anzuhören.
    1994 ist im Pincus Verlag Wien das Buch
    „Der feministische Sündenfall . Antisemitische Vorurteile in der Frauenbewegung“ erschienen, das von Charlotte Kohn-Ley und Ilse Korotin herausgegeben wurde. Hier werden die Debatten der 90ger Jahre zusammengefasst. Dieses Buch wurde leider wenig rezipiert und ist in Vergessenheit geraten. Ich kann es für Diskussionen nur empfehlen.

  10. Danke für diesen echt tollen Podcast. Das hat sehr zum Nachdenken angeregt und lässt mich auch einige Äußerungen bestimmter Menschen bzw. Figuren in Film/Literatur in neuem Licht sehen.
    Toll war für mich auch, deinen Gedankenprozess begleiten zu können. Ich erinnere mich noch an die Wochendämmerung-Folge, in der du das mit Holgi diskutiert hast und noch gar nicht entschieden warst. Dabei hat mich sehr beeindruckt mit welcher Offenheit du auch hier ans Thema gegangen bist und dich nicht den Argumenten irgendeiner Seite verschließt.

    Eine Sache hat mich aber doch sehr verwundert: wieso wurde so oft deutlich zwischen Rassismus und Antisemitismus unterschieden? Ist Antisemitismus nicht einfach „nur“ ein Spezialfall von Rassismus? Mir waren die Kriterien da nicht ganz klar.
    Anschließend daran fand ich den Schluss „Vorurteile gegen Juden, die im kulturellen Gedächtnis verankert sind“ doch ein bisschen zu einfach. Damit kann man natürlich sehr gut den Vorwurf „Antisemitismus“ rechtfertigen und ich kann das auch gut nachvollziehen – und der Vorwurf ist sicher auch in vielen Fällen treffend.
    Aber wenn ich mal ernst nehme, wenn jemand sagt: „Ich finde Israel doof, das hat aber nichts mit den Juden zu tun“, dann besteht ja auch die Möglichkeit, dass dieser Mensch schlichtweg ein Nationalist/Rassist ist, der sich mehr an einem Staat als an einer verbreiteten Bevölkerungsgruppe reibt. Das würde BDS kein Stück besser machen, weil nachwievor alle Israelis für die Politik einer Regierung in Sippenhaft genommen würden und es genauso ein einseitiges schwarz-weiß wäre. Aber dann wäre es nicht zwangsläufig Antisemitismus (so wie ich kein Antialkoholiker bin, nur wenn ich keinen Whiskey trinke). Die Motivation zu BDS läge dann vielleicht in Fehlschlüssen wie „Ich bin gegen Rassismus gegen Muslime, also bin ich gegen Israelis, weil die ja dort im Stress mit den Muslimen liegen“ oder „Netanjahu ist ein aggressiver Nationalist und benutzt seine Religion für Kriegsrhethorik, also sind alle Israelis Nazis, weil die den ja gewählt haben“.

    Was ich letztlich sagen will: wäre es nicht fruchtbarer, zuallererst die konkreten Fehlschlüsse von BDS aufzuzeigen, anstatt automatisch den Antisemitismus-Vorwurf zu machen? Der trifft zweifellos auf viele BDS-Unterstützer zu, wie der Podcast eindrucksvoll gezeigt hat, aber eben – wie ich glaube – nicht zwangsweise auf alle.

    1. Merle hat irgendwo mal gesagt, dass sie gar nicht sicher ist, ob zB Laurie Penny antisemitisch ist – in der taz war das glaube ich. Und auch der Satz am Anfang, dass Judith Butler keine Antisemitin sei, sondern „nur“ ein politischer Dummkopf – diese beiden Aussagen lassen in meinen Augen einen guten Graubereich zu. Da ist nicht alles schwarz und weiß. Sondern: Die Kampagnen an sich sind antisemitisch – aber nicht automatisch jedeR der/die mit macht.

  11. Vielen Dank für die Sendung!
    Ich hoffe, dass sie zum Auftakt der längst notwendigen Diskussion im Feminismus und unter Feministinnen wird. Das Buch „Der feministische Sündenfall“ wurde ja schon in einem Kommentar empfohlen und das kann ich für die gegenwärtige Reflexion im Sinne der historischen Auseinandersetzung mit Antijudaismus und Antisemitismus in Teilen der Frauenbewegung und feministischen Theorien nur unterstreichen. Eine klare Abgrenzung gegen die BDS und deren Mitglieder sowie auch gegen die Kampagnien im Kontext von Pinkwashing ist aus feministischer Perspektive notwendig und wohl auch eine Distanznahme von sogenannten Ikonen, wenn sie antisemitische Positionen vertreten.

  12. Seit ihr ansagt, das der Song „April Showers“ heißt ist meine „Electro Showers“ Illusion zerstört… (aber vermutlich musstet ihr die Frage sehr oft beantworten).

    Was ich mich frage, darf man Laurie Penny nun weiterhin gut finden? Ihr Bücher kaufen und (gerne) lesen? Weil die Möglichkeit mit Laurie Penny zu reden und dabei meinen Standpunkt deutlich zu machen, hab ich ja nun nicht…

    Ah und es gibt eine neue jüdische Kolumne beim Missy Magazin. Ist erst zweimal erschienen, aber ich finde sie ganz gut.

    1. bei Laurie weiß ich es nicht, da ich mich noch nie sehr stark auf sie berufen habe. Bei Judith allerdings gibt es einfach Denkansätze, ohne die ich nicht arbeiten müssen möchte. Also werde ich sie auch weiterhin zitieren. Beantwortet das deine Frage?
      die Kolumne in der missy fand ich irgendwie seltsam… ich verfolge eher andere Jüdinnen, zB das was @irgendwieJuna / „Irgendwie Jüdisch“ so macht. das gibt mir irgendwie mehr.

  13. Es ist für mich völlig unverständlich warum in dieser Folge – die offenkundig gut recherchiert ist – der bekannteste Satz von Prof. Butler :

    „Ja, ich glaube, es ist extrem wichtig, Hamas und Hisbollah als soziale, progressive Bewegungen zu verstehen, die zur Linken gehören, die Teil der globalen Linken sind“ (min 6, https://www.youtube.com/watch?v=amJNIcSNPco)

    nicht besprochen wird. Tatsächlich wird die Feststellung, dass es sich bei Prof. Butler offenkundig um eine üble Antisemitin handelt, eher als Nebelkerze abgetan. Nur Prof. Butlers “Kauft nicht beim jüdischen Staat” Propaganda wird kritisch beleuchtet.

    Es ist richtig, dass jede Unterstützung von BDS einen Menschen diskreditiert. Darum geht es im Fall von Prof. Butler aber nicht. Es geht um ihre Unterstützung einer der übelstens, frauensverachtesten und mörderisch homophoben Banden, die es jemals angetreten sind um die Welt judenrein zu machen.

    Das der oben genannte Satz von Prof. Butler in feministischen Kreisen nicht bekannt zu sein scheint – ich unterstelle ausdrücklich keine bewusste Auslassung – beantwortet selbst Frage nach dem Antisemitismus im Feminismus. Der moderne Feminismus trägt spätestens seit Prof. Butler den Antisemitismus strukturell in seinen theoretischen Grundlagen.

    1. in den Interviews, die ich geführt habe, wurde das Thema angesprochen. ich habe mich aber auf die aktuelleren Fragen konzentriert, BDS, Anti-Zionismus und Unterscheidbarkeit, weil ich sie auch schwieriger finde. deswegen kommt Judith Butlers Hamas-Verklärung nicht weiter drin vor. ich halte das aber in der Tat wie du auch für sehr eindeutig und entscheidbar. in der Sendung geht es aber gerade um die schwerer entscheidbaren und aktuelleren Fälle.

      1. Ich halte die Frage, was von Menschen zu halten ist, die “Kauft nicht beim Juden(staat)” rufen, ebenfalls nicht für schwierig. Aber ich sehe durchaus den qualitativen Unterschied zur Hamasunterstützung. Es ist der Unterschied, ob der konkrete Antisemit seinen Vernichtungswillen gerade offen bekennt oder nicht. Eine Zusammenarbeit mit Antisemiten und sei sie begrenzt, wie von Dir angesprochen, ist nicht vertretbar.

        Leider geht es aber beim heutigen Feminismus nicht um die Frage nach nur kurzen Bündnissen mit Antisemiten. Bis heute bezieht sich der Feminismus positiv auf das Denken von Prof. Buttler. Das selbe Denken, aus dem sich – ich meine konsequent – die Unterstützung der Hamas ergibt.

        Das aber entscheidende Problem ist das des doppelten Standards. Hätte sich jemand vor zwanzig Jahren für – sagen wir – eine Gruppe Vergewaltiger ausgesprochen und sich seit dem davon nicht distanziert, wäre das – so vermute ich – in deiner Sendung zurecht vorgekommen. Bei dem Lob einer Gruppe Judenmörder kannst du darüber hinwegsehen.

        Im allgemeinen ist das Problem des doppelten Standards im Feminismus aber noch viel größer. Auf der einen Seite reagiert der Feminismus auf jede Art empfundener Kritik mit Ausschluss, Deplatforming und Defunding. Ob und wann diese Strategien angemessen sind, sei hier dahingestellt. Wichtig ist nur, dass auf der anderen Seite kein Antisemit jemals eine solche Behandlung durch den Feminismus befürchten müsste.

  14. Eine super Folge, hat mir sehr gut gefallen und die Form darf auch gerne wiederholt werden. Eine Sache dir mir technisch aufgefallen ist: manchmal kamen mir die Texte sehr langsam gesprochen vor und die Pausen waren stellenweise auch etwas irritierend lang. Aber das nur am Rande, fuer die erste Folge dieser Art fand ich es trotzdem gut produziert.
    Und ueberhaupt finde ich es als Feature-Fan gut wenn es auch im Podcast-Bereich mehr Features gibt 🙂

    Waere uebrigens gut wenn auf der Spenden-Seite auch die IBAN stehen wuerde. Meine Bank laesst mittlerweile nur noch IBAN-Eingaben zu. Kann man natuerlich selber berechnen, aber das ist natuerlich etwas aufwendiger.

    1. ich muss die Sendung nochmal hören – das mit dem Pausen höre ich jetzt zum zweiten Mal, nicht, dass da was verloren gegangen ist beim auphoniccen… danke für den Hinweis.
      danke auch für den Hinweis mit der IBAN – ich trage sie nach.

      ein Feature wird die Ausnahme bleiben. es kostet im Grunde alles in allem eine Woche Vollzeit Arbeit, so etwas zu produzieren – was auch erklärt, warum es das in Deutschland so wenig gibt. denn hier haben die wenigsten Podcasts bislang ein Geschäftsmodell gefunden, dass sie diese Arbeit auch wirklich leisten können. was in der Tat schade ist – ich hoffe sehr, dass sich das hier noch entwickelt 🙂

  15. Vielen Dank für diese großartige Sendung! Hat mich echt weiter gebracht, endlich verstehe ich ein wenig mehr von diesem Thema. Vielen Dank für die Arbeit, die du/ihr da leistet. Habe gerade ein Steady-Abo gemacht und freue mich euch unterstützen zu können 🙂

  16. Ich fand die´Sendung auch gut.

    Ich bin eigentlich ganz zuversichtlich, dass gerade viele feministische Gruppierungen bereit sein werden Antisemitismus bei sich selbst zu reflektieren und zu vermeiden. Gerade weil da so viel unbewusst läuft, ist der Abwehrreflex bei dem Thema glaube ich erstmal stark, aber ich meine, viele Feministinnen haben schon auch wirklich verstanden, dass Inklusivität einfach essentiell ist.

    Was so Ikonen wie Butler angeht, finde ich es ein typisches Problem der „Geisteswissenschaften“ im Allgemeinen, dass die VordenkerInnen im Zuge eines meiner Meinung nach unangebrachten Personenkultes unglaublich auf ein Podest gestellt werden und entweder gar nicht mehr kritisiert werden oder eine Kritik dann wieder darauf abzielt alles Gedankengut von dieser Person für immer, vollständig zu diskreditieren. Es wäre wünschenswert, wenn es möglich wäre festzustellen, Theorie A von der Person finde ich gut/zutreffend/ hilfreich und Theorie B ist der absolute Scheiß.
    Ideengeschichtlich ist es einfach unsinnig, wenn ich alle diejenigen, die teilweise wirklich schlimmen, ärgerlichen Mist veröffentlicht haben, völlig versuche zu ignoriern, weil ich sie dann komplett ablehne, obwohl ihre Veröffentlichungen aber eben bahnberechende Wirkung hatten. Das betrifft doch praktisch alle Ikonen. Dann muss ich die Person und ihre Texte eben differenziert sehen. Es geht nicht anders.

    1. “Ich fand die Sendung auch gut.”

      Ich auch.

      “Ich bin eigentlich ganz zuversichtlich, dass gerade viele feministische Gruppierungen bereit sein werden Antisemitismus bei sich selbst zu reflektieren und zu vermeiden.”

      Ich bin da kein Stück zuversichtlich. Antisemitismus ist der Rassismus des Unterlegenheitsgefühls gegenüber einer abstrakten Welt. Das passt einfach zu gut zum Feminismus. Aber wir werden sehen.

      Die Floskel “bereit sein werden” ist einfach nur übel. Über wie viele Jahre nach der Schoa sprechen wir hier eigentlich. Darüber hinaus tut diese Floskel so, als wäre es es Ausdruck eines Großmutz kein Antisemit zu sein. NEIN – Es ist Vorbedingung eines zivilen Umgangs.

      “verstanden, dass Inklusivität einfach essentiell ist” Sich nicht inkludieren lassen zu wollen ist Grundlage jüdischer Identität. Juden wollen nicht zwangsinkludiert werden. Es wäre nur einfach nett, wenn man keine dauernde Polizeipräsenz vor jeder Synagoge bräuchte.

      Ich nehme Prof. Butler erst genug, dass ich ihr unterstelle, dass ihr Denken in sich kohärent ist. Eine Trennung ihres Werks in einen unbedenklichen und einen abzulehnenden Teil wäre aber möglicherweise denkbar. Dies aber nur, wenn sich jemand die Arbeit machen würde zu identifizieren, was in ihrem Denken zum Lob der Hamas führt. Oder es mit anderen Worten auszudrücken, eine Kritik ihres Werks zu schreiben. Solange dies nicht geschehen ist, ist jeder positive Bezug auf Prof. Butler ein positiver Bezug auf den Wunsch der Vernichtung Israels.

  17. sehr, sehr, sehr guter podcast!

    ich kannte den lila podcast nicht, bis ich diese folge in meinen wrint feed aufgetaucht ist. als ich die ersten 10 minuten hörte, dachte ich es wird schrecklich. aber dann wurde ich durch das absolute gegenteil überzeugt! die folge arbeitet sehr langsam und vor allem niedrigschwellig auf, inwieweit antisemitsmus auch in feministischen kontexten existiert. besonders eindrucksvoll fand ich die didaktische herangegehnsweise, die einfach aber nicht unterkomplex dieses thema vermittelt. denn gerade das erkennen von antisemitismus bedarf häufig ein erweitertes hintergrundwissen.
    das hat sich in letzter zeit beispielsweise bei der furchtbaren debatte um die antisemitismusdoku von arte gezeigt. deswegen, tolle arbeit!

    lg joni

  18. Ich glaube, Claudius hat noch nicht gemerkt, dass es den einen Feminismus nicht gibt. Er/Sie scheint, eine vorgefasste Meinung zu haben, ohne sie weiter zu untermauern und sortiert dann eben alles rein. Ganz unabhängig davon, dass gerade ein feministischer Podcast sich mit dem Thema auseinandersetzt. Warum sollte ich mich als Feministin Personen jüdischen Glaubens eher unterlegen fühlen als jenen vom christlichen Glauben? Es gibt in den monotheistischen Religionen frauenverachtende und frauenfreundliche Aspekte. Ich glaube, bei Antje Schrupp gab es sogar mal den umgekehrten Fall, da stand in einigen Punkten das Christentum in feministischen Fragen schlechter da als die jüdische Tradition. Da ging es um die Interpretation der Genesis-Geschichte. Das müsste noch auf dem Blog zu finden sein. Antje Schrupp ist wohl Feministin. Somit passt Claudius Totalaussage nicht mehr. Übrigens nicht sehr komplex, die Unterstellung des Antisemitismus per se für den Feminismus. Der ist nämlich genauso komplex wie die Welt – und eine höre und staune – nicht jede Feministin unterschreibt Butlers Herangehen an Geschlecht. Wieso sollen die sich dann nochmal extra distanzieren. Für die ist sie ja keine Ikone.

    1. Zunächst möchte ich betonen, dass ich es erfreulich finde, dass Katrin diese Folge produziert hat. Man sieht dieser Folge an, wieviel Arbeit in ihr steckt. Meine kritische Frage nach einem doppelten Standard (Auslassung des Hamas Lobs) bleibt. Wobei ich sicherlich nicht beurteilen kann, was Katrin in einem anderen Kontext weglassen könnte und würde.

      Nun zu deinem Text:

      Ich befürchte, dass ich Dir meine Auffassung nicht vermitteln konnte. Daher nur zu Klarstellung, ich bin nicht der Auffassung, dass der Feminismus als ganzes oder jeder Feminist selbst primärer Antisemit wäre. Mein Wahrnehmung ist aber, dass im heutigen Feminismus ein sehr sanfter und verständnisvoller Umgang mit Antisemiten vorherrscht und gleichzeitig eine Bereitschaft zur unbeschränkten Aggressivität gegen jeden wahrgenommenen Gegner vorherrscht. Dieser unterschiedliche Umgang mit Antisemiten stellt meiner Wahrnehmung nach einen sekundären Antisemitismus (damit meine ich eine ungewöhnlich nachsichtige Behandlung von Antisemiten) da.

      Zu deiner Frage, warum Du Dich als Feministin einem Menschen jüdischen Glaubens unterlegen fühlens solltest. … Es gibt natürlich keinen Grund dafür. Allein diese Frage deutet für mich darauf hin, dass Du über eine funktionierende Immunität gegen den antisemitisches Denken zu verfügen scheinst.

      Mansplaining Alert: Denn Antisemitismus funktioniert immer über folgende drei Aspekte:
      Dämonisierung, Delegitimierung, und doppelten Standard

      Keinem Antisemiten geht es um die tatsächlich bestehende jüdische Theologie (die ist so skurril ist, wie Theologie eben ist) und ihm geht es auch nicht um die Politik Israels (die ist so scheiße, wie es dem Konzept von Staatlichkeit eben inhärent ist). Dem Antisemiten geht es um die empfundene Allmacht, eine dämonische, hinter allem stehende Instanz, verantwortlich für alles Übel der Welt. Diese Allmacht wird auf Juden oder den jüdischen Staat projiziert. Damit erlangt der Antisemit eine konkretes Objekt, mit dessen Vernichtung er alles Übel aus der Welt bannen zu können meint.

      In ähnlicher Weise denkt ein großer Teil des Feminismus das Patriarchat. Es ist nicht definiert, nicht begrenzt, sonder vielmehr eine umfassender, allmächtiger Unterdrückungsmechanismus zum Wohl und ausgeführt von Männern. Damit ist der Gedanke des Patriarchats dem Gedanken der jüdischen Weltverschwörung ähnlich. Und ähnlich genug, dass das eine Denken an das andere andocken kann.

      Das ist imho der Grund, warum es aktiv feministische Antisemiten gibt und der Grund, warum Feministinnen eine besondere Nachsicht mit Antisemiten habe.

      Ich hoffe, dass dieser Podcast daran etwas ändern kann. Aber weil die Anschlussfähigkeit auf einer grundlegenden Ebene besteht, bin ich diesbezüglich nicht optimistisch.

  19. Wir haben gerade angeregt über die Sendung diskutiert und waren uns einig, dass die Sendung (die wir insgesamt sehr anregend und gut fanden) eigentlich die eine der gestellten Fragen nicht ausreichend beantwortet hat:
    Wie kann man zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus unterscheiden?
    Ergänzend könnte man fragen, welche Art von Kritik an Israel ist legitim und nicht antisemitisch?

    Dem geht die Sendung zu wenig nach, finde ich, sondern bleibt zu sehr auf der Argumentationslinie, dass alle Kritik antisemitisch ist (ich habe aber gesehen, dass in den Notes das Gespräch zwischen Butler und Brumlik verlinkt ist. das ist ja eine ganz gute Ergänzung).
    Beim Thema der israelischen Siedlungspolitik und der Menschenrechtssituation in den besetzten Gebieten ist es nicht leicht (aber nötig, natürlich) sich von antisemitischen Bildern und Argumenten abzugrenzen. Und es ist auch nicht verkehrt, darauf hinzuweisen, dass es jede Menge anderer Länder gibt, deren Menschenrechtspolitik mindestens genauso schlecht ist, so wie das in der Sendung auch gesagt wird. Trotzdem darf es doch auch kein „Redeverbot“ geben gegenüber dem, was die israelische Regierung und Armee tun – es gibt doch auch in Israel viele Menschen und Organisationen, die diese Kritik an der „eigenen“ Regierung äussern.

    Aus feministischer Sicht fände ich es interessant, bei einer Diskussion zum Thema der Sendung auch auf jüdischen Fundamentalismus hinzuweisen. Auch sekuläre israelische Feministinnen kritisieren ja zum Beispiel, dass Frauen, die zu „freizügig“ gekleidet sind, von Orthodoxen in der Öffentlichkeit angegangen werden. Oder es gibt feministische Kritik an der von Orthodoxen erhobenen Forderung nach Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln etc. Riskiert denn Kritik an derartigem Fundamentalismus dann auch, in die Antisemitsmus-Falle zu tappen? WIe kann das getrennt werden?

    Vielen Dank für die Sendung und vielleicht gibt es ja ein follow-up, in dem dann die eine Frage vertieft und anderen nachgegangen werden kann….

    1. Die Menschenrechtssituation der Palästinenser, die unter der fundamentalistisch-islamistischen Hamasherrschaft leben könnte man ja auch mal ansprechen. Oder wie die Fatah in der Westbank einen Polizeistaat betreibt.

      Wenn man sich nur auf Israel und die Juden fokussiert, dann kann diese Obsession antisemitisch sein.

      Ultra-orthodoxe Juden sind eine Minderheit, die extrem konservativ in vielerlei Hinsicht sind. Man sollte dann allerdings den Vergleich mit den Einstellungen konservativer Muslimen, die auch in Israel leben, nicht vergessen.
      Kritik an Religion ist notwendig und auch beim Judentum angebracht. Wenn sie jedoch Teil einer Litanei über die schlechten Seiten der Juden und Israels ist, dann ist es strukturell antisemitisch.

      Niemand fordert ein Redeverbot gegenüber dem, was die Israelische Regierung so tut und lässt. Diese Argumentation entspricht der von Rassisten, die behaupten man dürfe ja nichts mehr sagen, wegen der politischen Korrektheit. Bezüglich Israel gibt es wahrhaftig kein Redeverbot. Israel wird Tag und Nacht ausgiebigst für alles mögliche kritisiert und das quer durch alle politischen Richtungen.

  20. Vielen Dank für den Podcast! Habe sie auf Wrint gehört.

    Bzgl. BDS hätte ich mir eine stärkere Auseinandersetzung mit Südafrika gewünscht, auf den sich die Kampagne als Präzidenzfall bezieht. Wobei das natürlich auch extrem kontrovers ist. Z.B., war die Divestment-Kampagne in den 80er Jahren maßgeblich für die Öffnung des Landes? Ist die Situation mit heute vergleichbar? War die Kampagne moralisch gerechtfertigt, und wenn ja, wieso ist es die BDS-Kampagne gegen Israel nicht?

    Wäre schön, wenn der Podcast diese Fragen auch so unaufgeregt behandeln hätte können, wie den Rest.

  21. Leider trifft diese Podcastausgabe nicht meinen Geschmack und das ist okay.
    Für mich ist ein Podcast eine lockere Gesprächsrunde oder ein Interview,aber dieses Projekt ist leider eine Art Radiobeitrag. Die eingespielte Hintergrundmusik, so viele unterschiedliche Stimmen und so viele Blöcke eingeleitet durch Katrins komplett andere “Radiostimme“ ,alles das reißt mich leider komplett raus und ist für mich leider unhörbar was mir das Thema auch durch das alles nicht näher bringen konnte.

    Falls es möglich ist würde es mir helfen in Zukunft solche Folgen auf eine gewisse Weise zu markieren. Einen Namen dafür finden und in den Titel schreiben etc.würde ich begrüßen,mich stört es nicht sie in meinem Podcatcher aufzufinden,jedoch freue ich mich bei den regulären Lila Podcastfolgen immer auf ein reguläres Hörvergnügen und könnte so meine Erwartungshaltung anders angehen.
    Gerne gebe ich dieser Art einer Lila Podcast Folge noch eine Chance,aber hier war ich leider trotz einiger Anläufe komplett raus.

    Danke für die Aufmerksamkeit und falls ihr weiter in diese Richtung gehen wollt,weil ihr darin eine neue Erfüllung und mehr Potential findet lasst euch nicht von mir aufhalten.

    1. Lieber Jay,
      danke für dein ehrliches Feedback. das mit der „Radiostimme“ muss ich erstmal sacken lassen. aber für den Rest kann ich dich quasi beruhigen: in so einem Feature steckt so viel Arbeit, dass es nicht einfach so zum Spaß als neues Format umzusetzen wäre. es bleibt also die Ausnahme.
      was wir aber gerne machen wollen: nach vier Jahren ein wenig aus unserem Lila Kokon herauskommen und andere Stimmen dazu holen. so, wie es in den Folgen davor auch bereits passiert ist, wie zum Beispiel Barbara mit Nils oder der kurze Beitrag mit Nicolas Semak.
      was hältst du davon?
      liebe Grüße
      Katrin

      1. Liebe Katrin,
        deine Nachricht stellt mich zufrieden und beruhigt mich ein wenig, auch wenn dafür eigentlich kein Anlass gegeben ist und dieser Eindruck durch deine Antwort mir bestätigt wurde.

        Die von dir angesprochenen Folgen mit anderen Stimmen haben mir sehr gefallen. Den Gedanken „aus unserem Lila Kokon herauskommen und andere Stimmen dazu holen“ verstehe ich komplett. Die Umsetzung davon könnt ihr aus meiner Sicht auch vollbringen, da ihr alle 3 dazu befähigt seid den Podcast zufriedenstellend zu gestalten trotz neuer Konstellationen o.ä.

        Keep up the good work und danke für die angenehme Reaktion und Antwort auf kritisches Feedback.
        Liebe Grüße zurück,
        Jay

  22. Ich finds immer gut neues zu versuchen, aber ich bin auch nicht so ein Fan von solchen sehr arrangierten Beiträgen. Das ist nicht, was ich an Podcasts interessant finde. Sobald in journalistischem/dokumentarischem Kontext z.B. Musik ins Spiel kommt, bin ich meistens raus, weil das so eine starke Manipulation von Emotionen ist, das ich es dann meist unpassend finde. Vorgelesene Texte höre ich auch nicht so gern.

    Aber es scheint ja vielen zu gefallen und ich will es euch auch nicht mies machen. Wenn es trotzden weiterhin die freien Gespräche gibt (und in diesem Format wäre ja auch noch Potenzial zum Experiment) ist alles gut.

  23. Vielen Dank für die tolle Episode! Ausgezeichnet und fundiert recherchiert. Ich würde mich über mehr dieser Art freuen.

  24. Danke für den interessanten Podcast und insbesondere für die Ergänzung (Drei Fragen an Monika Schwarz-Friesel).

    Zur weiteren Auseinandersetzung mit BDS und dem Vorwurf Israel sei ein Apartheidsregime seien folgende Vortragsmitschnitte empfohlen, die vielleicht ergänzend und ausführlicher auf diese zwei Schlaglichter antisemitischer Projektionen eingehen:

    Alex Feuerherdt: Boykottkampagnen gegen Israel und ihre zweifelhaften Hintergründe
    https://archive.org/details/VortragUndDiskussionMitAlexFeuerherdtBoykottkampagnenGegenIsraelUnd

    Jörg Rensmann – Der Mythos Vom Israelischen Apartheidsregime
    https://archive.org/details/DerMythosVomIsraelischenApartheidsregime

  25. Ein interessantes Thema, und gut, dass Ihr es angegangen seid.

    Ein paar kurze Anmerkungen:
    a) Historische Wurzeln des feministischen Antisemitismus

    Ich meine der heutige Feminismus ist noch stark durch die Tradition der 68er und der damaligen Linken, der APO, später der Grünen geprägt, und gerade in linken Parteien und Strömungen wurde auch immer, und zwar in ähnlicher Konstellation Antisemitismus nachgesagt, oft zurecht, wie ich meine.
    Die Linke war dann auch nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch-politisch oft mit den Palästinensern verbündet, ist es auch heute noch oft. Früher wurde das noch überdacht vom kalten Krieg mit den USA und derem starken Verbündeten Israel auf der einen Seite (allerdings auch arabischen Verbündeten), der Sowjetunion und ihren Verbündeten in Nahost auf der anderen, wobei die SU m.W. nie ein enges Israelverhältnis hatte; zu Feinden der Israelis aber durchaus.

    Die Verbindungen bestehen z.T. heute fort (siehe Iran, Syrien), über Verträge und Interessenverbindungen, auch wenn die SU heute kein linkes Projekt mehr ist.

    Das Geflecht an Verbündeten, das jeder so hat, auch feministische Gruppen, etwa heute zur SPD, den Grünen und damit zu deren Verbündeten sorgt mit dafür, dass alte Feindbilder weiterlaufen, eingeschliffene Koalitionen nicht hinterfragt werden und v.a. dafür, dass man auf die Tabus der Freunde Rücksicht nimmt.

    In Richtung des linken Antisemitismus ist v.a. zu erwähnen die Kritik an der Spekulationsphäre als einem wildgewordenen Kapitalismus, wobei das angebliche Finanzjudentum auch für Hitler und Göbbels eine feste Größe der Demagogie war.
    Die Spekulationsaspekte des Kapitalismus waren und sind in der Linken ein möglicher Andockpunkt für antisemitische Einstellungen, womöglich oft eine Verschleierung eines Antisemitismus und zugleich die versteckte Kenntlichmachung für Eingeweihte (siehe auch „Ostküste“ als Schlüsselwort).

    b) Ein weiterer Elephant im Raum
    Lange Tradition hat die Analyse von Ungleichheit, Unterdrückung, Diskriminierung im Feminismus. Ich steh jetzt nicht auf, aber ich meine bei Simone de Beauvoir gibt es schon ein Kapitel zur Gemeinsamkeit von Unterdrückung der Frau und Antisemitismus/Rassismus.

    Jetzt sind aber als Opfer oder potentielle Opfer von Rassismus in den letzten Jahren Moslems in den Fokus gerückt. Frauen haben sich des Themas mit angenommen und Verbündete gerochen und gemacht. Das ist natürlich ein schwieriges Feld – sind Tschador, Burka und Kopftuch jetzt Mittel zur Unterdrückung der Frau oder nur Symbole einer solchen oder ist es gar selbstbestimmte Aneignung von Kultur und antirassistisches Statement, wenn sich Frauen im Westen verhüllen? Macht es Frauen unsichtbar oder schützt es nicht doch vor dem objektifizierenden Blick des lüsternen Mannes?

    Da gibt es ja in den feministischen Lagern kontroverse Meinungen zu und solche drohen natürlich Teilzeitbündnisse zu sprengen, wenn man sie anspricht.
    Holt man sich aber islamistischen Antisemitismus ins Boot, in dem da zu offen ist, verrät man die Ideale, die hinter dem Antirassismus stehen, der die Koalition ursprünglich gefördert hat.
    Der Pragmatismus des Koalierenwollens frißt hier seine Mütter.
    Das Thema kehrt man also lieber unter den Teppich, der großen Zahl von Demonstrationsteilnehmern zuliebe. Die Glaubwürdigkeit und Erkennbarkeit geht dabei aber vor die Hunde.

    c) anonyme Meinungen
    Auch hier und heute gibt es einige Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, wenn sie etwas sagen; Exmuslime, Aussteiger aus der Mafia, vielleicht auch Aussteiger der extrem rechten Szene.

    Ich meine, wenn man in einer Szene aktiv ist, in der man seine Meinung nicht frei sagen kann – wieso bleibt man da drin? Wieso macht sie sich für eine Gruppe stark, die ihr Angst macht? Da läuft doch etwas fundamental falsch. Es klingt doch so, als sei sie da nicht einfach Zwangsmitglied sondern als arbeite sie aktiv dafür – aber dann doch für fremde Ansprüche: „die Ansprüche, die erhoben werden, seien so groß, dass sie nicht erfüllt werden können“. Also Ansprüche, die von außen an sie herangetragen werden, die sie aber übernommen hat?

    Sie beschäftigt sich mit antimuslimischem Feminismus.

    Hier beißt sich die Katze irgendwie in den Schwanz. Der Islam ist eigentlich nicht antifeministisch und ums Eck lauern auch schon die verbündeten feministischen Theologinnen christlicher Geschmacksrichtung.

    Wir haben weder ein Erbrecht, das Männer begünstigt, noch sind Frauen in der Politik oder im Beruf von Machtpositionen ausgeschlossen – im westlichen Demokratien. Was soll das also sein, das Patriarchat, in dem ja auch der Vater steckt, und nicht der Mann, sprachlich gesehen. Die katholische Kirche ist die einzige, große patriarchale Organisation die es hier noch gibt. Der Islam, das sind viele kleine, mit sehr viel weniger Macht.
    In diesen zwei Kulturen lässt sich ohne komplizierte Herleitungen von Kultur und Rollenbildern über die sich Vorbilder reproduzieren, so dass Frauen immer wieder freiwillig die weniger machtvollen Positionen anstreben usw. … – was ist das für eine verrückte Idee den Feminismus wieder in das Herz des Feindes zurückzutragen? Wieso kann man Islam, Christentum und die jüdische Religion nicht einfach absterben lassen?

    Religionen sind irrational. Da ist nichts zu holen. Deren Metier ist es das Unmögliche auszumalen. Die Versöhnung von Lamm und Löwe. Man trainiert da das kontrafaktische Denken. Das Schwafeln ohne Ziel, nur dem Wohlfühlen verpflichtet. Die Leugnung der Realität.

    Die Frau, die als Akt der Selbstbestimmung die Tracht ihrer Stammeskultur trägt ist m.E. ein Selbstbetrug. Sie wählt eine Gruppenidentität, eine Fremdbestimmung. Die Paradoxie der Selbstbestimmung ist, dass man sogar wählen kann darauf zu verzichten, aber es ist kein politisch emanzipatorisches Modell. Und da sind wir bei einem identitären Weltverständnis. Ich bin Frau und muss so und so sein, ich bin Moslem und muss daher so und so sein. Ich bin Antirassist und muss daher so und so sein. Als Feministin muss ich Antirassist und Antiantisemit sein und darf als Weiße keine Rastalocken tragen, aber Nicab.

    Sowohl bei radikalen Linken, als auch bei Feministinnen sieht man diese Tendenz die Kritik der Verhältnisse in Alltagsvorschriften und Regeln zu gießen. Das darf man nicht essen, da darf man nicht kaufen, dem keine Plattform bieten, dort nicht auftreten, hier nicht verlegen. Die Weltanschauung wird zum totalitären Korsett. Oder: Im Kampf gegen das Korsett hat man sich eine eiserne Rüstung geschmiedet in der man dann steckt.

    d) Ausklang
    Ich bin auch über die Formulierung gestolpert, dass man im 21. Jhr. doch nichts mehr gegen Juden haben könnte.
    Wieso denn nicht?
    21. Jahrhundert – ist das jetzt schon ein Wert an sich? Ist Antirassismus nur eine Mode, der man sich anschließen muss, weil das jetzt alle machen?
    Der Apell ans 21. Jahrhundert zielt genau auf die Angst nicht zu etwas dazuzugehören, was jetzt alle machen. Er schaltet nicht das Hirn an sondern lullt ein.

    Ist aber sicher ein Effekt des überwachsamen Hirns, das keine Abkürzungen verzeihen will. Geht mir nur in den letzten Jahren häufig so, dass ich Meinungen lese, die nicht mit Werten begründet werden, sondern mit einem Habitus der nur vermittelt, dass das jetzt das neue Ordentlich ist. PC.

    e) P.S.: Das Spiel mit dem Feuer
    Nicht in feministischen, aber linken Szenen habe ich ab und zu das Experiment gestartet, auf Schlüsselreize wie „Finanzkapitalismus“, „Ostküstenkapitalimus“ usw. zum Schein einzusteigen, um zu sehen, ob ich da mehr aus demjenigen rauslocke. „Man sagt ja auch, dass …“ ist da ein unverfänglicher Gesprächseinstieg. Aus 2 Gründen muss man darauf achten nur unter 4 Augen zu sprechen: Damit der andere sich traut seinen Antisemitismus, so einer dahinter steckt, deutlicher rauszulassen und weil man sich ja selbst wie ein Antisemit äußert und es schlecht abstreiten kann, wenn es 2 Zeugen oder mehr gibt. Erklärt mal, dass das nur ein Experiment war. Als exponierte Person mit bekanntem Blog kann man das sicher schlecht machen, aber sonst kann man es mal ausprobieren und schauen, wie tief die Verschwörungstheorien des anderen gehen, wenn man ein wenig Wohlwollen zur Schau stellt. Manche sind in drei Sätzen bei den Protokollen von Zion.

  26. P.S. (2):
    Im Film für Arte/WDR, der dann nicht ausgestrahlt wurde, und dann doch auf der ARD lief, wurde recht plausibel dargelegt, dass die BDS-Initiative, wenn sie denn Erfolg hätte, auch die Palästinenser treffen würde, denn deren Wirtschaft ist eng mit der israelischen verbunden, sei es über Handel, sei es über Arbeiter, die hier wohnen aber da arbeiten.

  27. Find ich gut, dass Holger endlich mal seine Frau zu Wort kommen lässt!

    Ne, Spaß bei Seite! Spannende Sendung, schöner Podcast. Verfolge ich weiter!

  28. Wie man Antisemitismus nicht bekämpft zeigt hier hervorragend der Amerikanische Congress: http://www.huffingtonpost.com/entry/democrats-join-republicans-in-bill-criminalizing-speech_us_5978bc17e4b0c6616f7ce6d9

    Das bestätigt auch nochmal was ich oben bereits schrieb: Es gibt in den USA keine politische Opposition zur Israelischen Politik. Und jetzt wird das zivilgesellschaftlcihe Engagement kriminalisiert. Das kann ja heiter werden, falls den SCOTUS das nicht kassiert.

  29. Leitlinie jedes vernünftigen ( feministischen) Denkens und Handelns sollten Humanismus , Liebe und Bekenntnis zur Gerechtigkeit und zur Freiheit des/der Einzelnen sein.
    Unter dieser Prämisse soll , kann , ja muss destruktive Politik immer und ÜBERALL veröffentlicht und bekämpft werden.
    IN DIESEM Zusammenhang kann und darf auch die Politik der israelische Regierung kritisch hinterfragt werden. Ich verweise hier aktuell auf die Diskussion über gewalttätige Aktionen im Zusammenhang mit Demonstrationen im Grenzgebiet.

    Aus solchen Vorfällen und Problemlagen eines immer auch massiv bedrohten Landes, ein Recht abzuleiten, zum Boykott des immerhin einzigen demokratischen Staates dieser Region aufzurufen, kann nur als antisemitisch erkannt und angeprangert werden.

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