Lila153 Kein Ruhestand: Irene Götz über Altersarmut

„Frauen sind mit ihren Renten vor allem in teuren Städten benachteiligt“, sagt Irene Götz, Professorin für Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Altersarmut ist weiblich, diesen Eindruck bestätigt Götz im Gespräch mit Barbara Streidl – und sie betrifft sowohl die heute Alten als auch die Alten von morgen, wenn wir nicht gesellschaftlich umdenken. 2019 erschien das von Götz herausgegebene und mitverfasste Buch „Kein Ruhestand. Wie Frauen mit Altersarmut umgehen“.

Ein Umdenken fordert auch Hörerin Johanna: Sie hat in ihrem Studium mit einem Statistik-Buch zu tun, das ihr sowohl rassistisch als auch sexistisch erscheint.

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9 thoughts on “Lila153 Kein Ruhestand: Irene Götz über Altersarmut”

  1. Liebes Lila-Team,

    zunächst mal: danke für euren Podcast. Ich höre euch regelmäßig und kriege immer tollen Input, kommentiere aber extremst selten.

    Mich treibt das Lehrbuch-Thema stark an, daher mein Kommentar. Ich bin sehr zwiegespalten, und zwar aus der Professorinnen-Perspektive. Einer der Autoren hat mir mit seinem Erstlingswerk „Keine Panik vor Mechanik“ die Mechanik im Studium beigebracht, und ich bin jetzt auf dasselbe für Regelungstechnik gestoßen, die ich Studierenden versuche, nahezubringen.

    Nach dem Erfolg mit „… vor Mechanik“ gab es dann noch diverse weitere Lehrbücher, unter anderem das angesprochene Statitik-Buch, das ich nicht gelesen habe. Ich kenne nur Mechanik und Regelungstechnik persönlich, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass der Stil jeweils derselbe ist.

    Ich habe mich damals schon sehr über den Sexismus geärgert, der aber dummerweise mit einer guten Erklärweise kombiniert wird. Dank des höheren Ziels, Mechanik zu bestehen, habe ich das Buch trotzdem gekauft.

    Jetzt – knapp 20 Jahre später – stehe ich als Professorin vor Studierenden und habe gut verständliche Bücher zum Thema Regelungstechnik gesucht. Mein Riesenproblem ist, dass dieses eines der wenigen Bücher zu dem Thema ist, die leicht zu lesen und mit Blick auf AnfängerInnen geschrieben sind. Ich habe das Buch tatsächlich verbal in meiner Vorlesung auch empfohlen, immer mit dem Hinweis auf den teils massiven Sexismus, und den echt schlechten Witzchen, die allzu oft unter die Gürtellinie gehen. Ich finde diese furchtbar, sage das auch, aber in meiner Einschätzung ist das Buch sehr hilfreich für das benötigte Verständnis.

    Mein Mann hat mal reingeblättert und war entsetzt, erstmal generell über den Sexismus und dann vor allem, da er ja meine feministische Prägung bestens kennt (ein Kapitel heißt allen ernstes „Modellbildung, nicht zu verwechseln mit gebildeten Models“!), dass ich es empfehle.

    Ich suche noch nach einer Lösung für mich. In der jetzigen Fassung bereitet es mir echt Bauchschmerzen. Es wäre meiner Meinung nach ohne Probleme möglich, dasselbe – inhaltlich und stilistisch wirklich gute – Buch einfach ohne die bescheuerten und verletzenden Witzchen zu machen. Tatsächlich ist das erste Buch zur Mechanik mein innerer Maßstab für alle Skripte, die ich verfasse. Ich fühle mich fast schon perönlich beleidigt, dass ein sonst gutes Buch solch billige Humorhascherei betreibt, die echt eklig und ätzend ist. Sch..ß-Patriarchat!

    Danke daher für den nochmaligen Denkanstoß, Johanna!

    Viele Grüße,
    Lucy

  2. Danke für die schöne und informative Folge!
    Mit dem Thema Altersarmut und finanzielle Unabhängigkeit von Frauen beschäftige ich mich auch immer mal wieder.
    Ihr sprecht ja an einer Stelle richtig an, dass nur so wenig Frauen wirklich Vollzeit erwerbstätig sind.
    Nun wird grade das immer von vielen Antifeministen und auch (teilweise von feministischen) Frauen selbst mit der Freiwilligkeit begründet.
    Und… irgendwie habe ich da mittlerweile kein Gegenargument mehr.
    Vor einiger Zeit haben wir in einer Literaturrunde mal über ein feministisches Buch mit Kurzbeiträgen diskutiert. Eine der Autorinnen war auch dabei und wir durften Fragen stellen. Da habe ich das mit der finanziellen Abhängigkeit angesprochen und sofort sind ganz viele Mamas auf mich losgegangen und haben mir erklärt, dass sie alles freiwillig machen, dass sie genau wissen, dass es kaum oder gar keine Rentenpunkte gibt, dass sie aber den besten Job der Welt haben, denn er „wird mit Liebe bezahlt“. Und außerdem gehen Kinder über alles und diese möchten sie auch aufwachsen sehen.
    Ich verstehe das teilweise sehr gut und wenn es nach mir ginge, könnte Vollzeit auf 30 oder gar 20 Stunden gedrosselt werden. Wenn es nach mir ginge, könnte Elternschaft sogar in irgendeiner weise vergütet werden, immerhin ist das so ein wichtiger „Job“. Aber so ist unsere Welt ja nun mal nicht.
    Das habe ich dort auch so geschrieben und dann gefragt, warum die jeweiligen Partner dieser Frauen nicht den Wunsch haben, ihre Kinder aufwachsen zu sehen oder warum sie nicht zufrieden damit sind, „mit liebe bezahlt“ zu werden.
    Das konnte mir keine richtig beantworten. Von der Autorin kam auf meine Frage nur die Aussage: „Von mir wird es kein Hausfrauen-Bashing geben!“
    Ja, von mir auch nicht. Und so war es ja auch überhaupt nicht gemeint.
    Ich frage mich nun, sind die geringeren Renten und die drohende Altersarmut von Frauen ein Fall von „selber Schuld“? Was kann man da denn machen, um die Situation von Frauen zu verbessern, wenn sie nicht mitziehen?
    Momentan finde ich da eine richtige Antwort/Lösung.

  3. Liebe Ani,
    ich glaube, das ist ein Sowohl-als-auch-Dilemma. Einerseits sollten alle Menschen die Freiheit haben, eine Entscheidung zu fällen, wie sie ihr Leben leben möchten. Andererseits werden manche Lebensmodelle steuerlich, ökonomisch, strukturell, gesellschaftlich usw. begünstigt, andere nicht.

    So haben die Mamas, von denen du schreibst, natürlich Recht, ein Leben zu wählen, das ihnen Glück in der Beziehung zu ihren Kindern offeriert – die dazugehörigen Papas wählen dieses wohl ab in ihrem Lebensmodell. Gleichzeitig wählen die Mamas etwas anderes ab, nämlich finanzielle Sicherheit aus eigener Kraft: Sie entscheiden sich sehenden Auges für Abhängigkeit vom Partner oder Sozialstaat.

    Ich finde, ich kann sowohl für eine Beziehung zu den Kindern stimmen als auch für finanzielle Unabhängigkeit – das geht aber mit den bei uns vorliegenden Strukturen nicht. Und das ist das Dilemma.
    Viele Grüße! Barbara

    1. Das Dilemma der gering- bis unbezahlten SorgeArbeit, die u.a. finanzielle Unabhängigkeit verunmöglicht, gehört immer und immer wieder auf die gesellschaftspolitische Tagesordnung. Damit endlich gesehen und anerkannt wird, dass es ohne Sorge/Fürsorgetätigkeiten so etwas wie „die Wirtschaft“
      gar nicht gibt. https://wirtschaft-ist-care.org/

  4. Was die private Altersvorsorge angeht, bin ich etwas skeptisch, ob das sinnvoll und ethisch vertretbar ist. Solch ein Vertrag ist ja nichts anderes als ein verzinstes Sparkonto, um am Ende Summe X als Rente auszuzahlen.

    Jetzt höre ich hin und wieder, das Anbieter von Lebensversicherungen langjährigen Kunden/innen kündigen, weil die momentane Niedrigzinsphase den Anbieter in die Bredouille bringt. Sprich, die versprochene Auszahlungssumme wird nicht erreicht.

    Weiteres Problem ist wohl, das zur Verzinsung der Einlagen die Anbieter teilweise das Geld in Immobilien investieren. Mit dem Effekt, das überall die Mieten hochgehen und z.B. Rentner ihre Wohnung verlieren.

    Jetzt ist die Frage gibt es Anbieter, die vertretbare Geldanlagen nutzen, um solche Rentenversicherungen zu finanzieren?

  5. Hallo Johanna,
    Was ich am Beitrag über das Statistikbuch nicht verstehe ist folgendes (ich kenne das Buch nicht aus eigener Anschauung):
    Da wird eine Frau dargestellt, die ein 20-Teile-Puzzle nicht lösen kann und außerdem den Aufdruck „ab 3 Jahre“ fehlinterpretiert. Was erlaubt oder gebietet es, diese eine Frau auf alle Frauen zu verallgemeinern?

    Die Frau hat eine Sprechblase mit dem Text oder der Text steht als wörtliche Rede unter einer Zeichnung, so habe ich verstanden – wieso verallgemeinert Ihr das nicht zu „alle Deutschen“ oder „alle Deutschsprachigen“ (wenn der Autor schon Österreicher heißt 🙂 ) werden als geistig minderbemittelt dargestellt?

    Ich zeichne hobbymäßig ab und zu Cartoons und stehe dann oft vor der Frage, die Person, der ich etwas in den Mund lege oder passieren lasse irgendwie darzustellen und mich dann zu fragen, ob irgendwelche Attribute – etwa das Geschlecht, die Hautfarbe usw. nicht dann fehlinterpretiert würden, d.h. ein tollpatschiger Mensch würde nicht als tollpatschiger Mensch, der zufällig nun gerade schwarz ist, interpretiert, sondern als prototypischer Schwarzer.
    Wenn aber nun Tollpatsche mein Thema sind, und ich immer nur weiße Männer als Tollpatsche zeichne, dann heißt es womöglich „Frauen werden unsichtbar gemacht, Frauen kommen gar nicht vor“ usw.

    Man könnte natürlich Zeichnungen anstreben, die derart abstrakt sind, dass kein Geschlecht und keine Hautfarbe zu sehen sind. Aber vielleicht will man den eingespielten Zeichenstil nicht dafür aufgeben.

    Selbst xkcd https://xkcd.com/2186/ ist nicht so abstrakt.
    Erzählmirnix ist oft geschlechtsneutral, bricht aber immer wieder in die Welt der Frisuren aus, um explizit Frauen darzustellen – Hautfarbenneutral ist das, was sie macht (Nadja Herrmann), aber gar nicht.

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