Lila041 „Biased“ sind immer die anderen

Was ist das eigentlich: Eine Frau? Ist das eine „weiblich sozialisierte Person“? Oder mehr? Macht uns unser Gehirn zur Frau? Die Hormone? Das Schwangerwerdenkönnen? Oder ist, wie jüngste Studien nahelegen, unser Gehirn gar nicht so anders?

Barbara und Katrin nehmen ein komplexes Thema unter die Lupe: Was macht uns zu Frauen? Eine neue Studie von Lise Eliot legt nahe, dass die Unterschiede im Gehirn viel kleiner sind, als bislang angenommen.

Auf der anderen Seite ist da Chelsea Manning, die in einem ihrer ersten Tweets beschrieb, dass die Hormontherapie sie sensibler gemacht hätte – emotional wie auch physisch.

Hormone, Sozialisation, Rollenerwartungen, Sexismus und Freiheit – durch ein Dickicht an Annahmen, Stereotypen und Erlebnissen versuchen wir eine Schneise zu schlagen auf der Suche nach einer Antwort, die weder negiert, dass Frauen mehr sind, als nur „weiblich sozialisierte Personen“, noch in alten Rollenklischees verharrt.

Danke an Anne für die tollen „Scheiß Schönheitsideale!“-Jingles! <3

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Barbara Streidl
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Katrin Rönicke
Intro: CC-BY-NC-ND ProleteR “April Showers” http://proleter.bandcamp.com/

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28 thoughts on “Lila041 „Biased“ sind immer die anderen”

  1. Meine innere Biochemikerin (mit Schilddrüsenunterfunktion, die durch eine Autoimmunkrankheit kommt) weint gerade bittere Tränen. Bitte biologische Themen besser recherchieren. Anekdotische Evidenz zählt da wohl kaum. (So leid mir diese Kritik tut, ich mag euren Podcast ja sonst sehr.)

  2. Hormone sind ein sehr vielseitiges Thema, bei dem noch viel ungeklärt ist. Es fängt damit an, dass die typischen „männlichen Hormone“ (Testosteron, Androsteron) auch im weiblichen Körper vorkommen und umgekehrt, wenn auch in unterschiedlichen Dosierungen. Dann ist bisher nicht definiert ist, was sie „emotional“ machen. Körperlich, ja, das ist klar. Aber die Wirkungen im Gehirn sind völlig unklar, weil man das so schlecht untersuchen kann. Man kann die Ratten, die für solche Versuche eingesetzt werden eben nicht nach ihren Gefühlen fragen. 🙂
    Die Evidenz für irgendwelche Wirkungen außerhalb denen, die man erwartet (wie z.B. Milchbildung) bei den „Schwangerschaftshormonen bzw Bindungshormonen“ Oxytocin und Prolaktin (find grad den Link nicht) wankt ebenso wie beim Testosteron (http://dradiowissen.de/beitrag/testosteron-mythen-versus-fakten).

    1. ich danke dir.
      es passt auch sehr gut zu einer Studie, die ich einmal las, dass die „Wirkung“ der Hormone auch entscheidend davon abhängt, was für Stereotype man über sie im Kopf hat.
      und sorry, wenn wir dich beim Hören zum weinen gebracht haben.
      ich glaube aber schon, dass wir sehr versucht haben, klar zu machen, dass die Wirkung von Hormonen nicht determinierend ist. die Anekdoten sollten eher dazu dienen, Leuten, die etwas von ihnen „merken“ diese Symptome nicht abzusprechen. und irgendwas „machen“ sie halt.
      danke noch einmal sehr, dass du klarstellst, dass dieses „was“ einfach weitestgehend ungeklärt ist.

    2. Naja Pterry,

      Dass Hormone starke Auswirkungen auf unseren Emotionalen Zustand haben ist in der Wissenschaft eigentlich indiskutabel.

      Da muss man sich nur mal vor Augen führen, wie unausstehlich man werden kann , nur weil man hungrig und unterzuckert ist.

      Dass es natürlich individuelle Abweichungen gibt ist logsch. Trotzdem kann es geschlechterspezifische (ceteris paribus) Tendenzen geben.

  3. Hallo, ihr Beiden 🙂
    Ich möchte direkt am Anfang sagen, dass ich den Podcast noch nicht zuende gehört habe (bin bei Minute 12).
    Es wird dazu allerdings wahrscheinlich auch nicht mehr kommen, da es dieses mal einfach sehr schwierig ist für mich nur zu hören zu können ohne etwas zu dem Thema zu sagen.
    Ich würde am liebsten dauernd reinrufen, wie beispielsweise, dass mir als Psychologiestudentin und ehemalige Biologiestudentin dauernd erklärt wurde und wird, dass sich die Gehirne vom Männern und Frauen kaum unterscheiden. Die Unterschiede sind nach meinen Dozenten viel geringer als die Unterschiede innerhalb der Gruppen.
    Ich weiß nicht von welchen Spezialisten ihr diese anderen Informationen habt, aber meine bisherigen Erfahrungen sind, dass in der Fachwelt da keine Unterscheidung gemacht wird. Natürlich gibt es im Durchschnitt (! Wichtig, Psychologen reden nur von der Masse, für die einzelne Person sagt das nichts aus) Unterschiede im Verhalten von ‚Mann und Frau‘, aber diese werden immer mit sozio-kulturellen Faktoren erklärt, nicht mit anatomischen Unterschieden im Gehirn.

    Ansonsten möchte ich noch sagen, dass ich euren Podcast sehr interessant und informativ finde! Macht weiter so 🙂

    Liebste Grüße, Laura

      1. Ich weiß bzw. verstehe, dass ihr das rüber bringen wollt. Dass eurer Meinung da kein Unterschied besteht oder wenn ein geringer und dass es andere Faktoren gibt. Dass es auch Studien gibt die diese Sicht bestätigen und dass man das in die Gesellschaft tragen muss, um solche Phänomene, wie ihr sie mit Schülerinnen und Mathematik beschrieben habt, vorzubeugen. Was auch super ist!
        Mich hat glaube ich gestört, dass ihr dabei impliziert, dass in der Biologie, Entwicklungspychologie etc. überwiegend andere Meinungen publiziert und vertreten werden. Also so Sätze wie ‚die Biologen wollen uns weiß machen, dass da Unterschiede bestehen..‘
        Das hat mich irgendwie getroffen und ich hatte das große Bedürfnis dazwischen zu rufen, dass meine Erfahrungen da einfach anders sind. Meiner Erfahrungen nach bestärken und vertreten vor allem Laien und Komiker solche Ansichten vom männlichen und weiblichen Gehirn. Es sind ja keine Fachbücher, die so eine Sicht vertreten sondern Bücher wie ‚warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken‘

        1. verstehe.
          das ist leider nicht mein Eindruck. ich habe auch einmal Biologie studiert und ich habe vor ein paar Jährchen mal die Publikation“Geschlecht und Gehirn“ gelesen, die sehr viel auf diese Ebene abhebt – leider völlig enttäuschend! da standen die krudesten Dinge drin, aus der Feder angeblich anerkannter Wissenschaftler_innen. und die Reaktionen auf Fines Delusion of Gender oder auch, was ich gerade lese, The Dawn of Sex, und zwar in der akademischen Fachwelt, zeigen doch: dein Umfeld scheint eine erfreuliche Ausnahme zu sein. leider. noch immer.
          ich glaube auch, dass ich irgendwo hoffentlich betont habe, dass es kein wirklicher Kampf zwischen „den Biolog_innen“ und „den Soziolog_innen“ ist, sondern vielmehr innerhalb der Disziplinen sehr viel gestritten wird und oft Leute auch nicht zugeben können, wenn sie etwas nicht wissen. da war Manfred Spitzer zum Beispiel eine erfreuliche Ausnahme.
          medial kolportiert werden die mit den einfachen Antworten wie Pinker und Brizendine. wobei sich das hoffentlich gerade bessert.
          naja. schade, dass wir anscheinend nicht so ganz gut rüberbringen konnten, wie wir es meinen :/

          1. Die Spektrum hat doch vor nicht allzu langer Zeit dazu einen Artikel online gestellt: http://www.spektrum.de/news/gibt-es-geschlechterunterschiede-im-gehirn/1374600
            Dort wird zwar durchaus auf die tragende Rolle der Medien bei der Verbreitung von vermeintlich neurowissenschaftlich belegten angeborenen Geschlechtsunterschieden hingewiesen, beklagt wird aber auch, dass bei vielen neurowissenschaftlichen Studien zu Geschlechtsunterschieden zu wenig auf methodische Mängel geachtet wurde und werde, dass viele Studien offenbar mit einer Genderklischeebrille vorgenommen und ausgewertet würden.

  4. http://www.fem.com/liebe-lust/news/verhuetung-mit-nuvaring-thrombose-risiko-erhoeht

    ich habe den ring eine zeitlang genutzt allerdings ist er wirklich teuer und die risiken oben sind es mir auch nicht wert.muss mein freund halt weiterhin kondome nutzen.inzwischen sehe ich auch nicht mehr ein,wieso ich mich für verhütung, die für frauen so oft hormonell wirkt also viel tiefgreifender als ein einfaches präservativ,hergeben sollte. und dann schützen sie nicht mal vor krankheiten oO

    kennt jemand vielleicht eine optimalere alternative?

    1. wenn alles gut geht (Daumen drücken!) nehme ich für meinen anderen Podcast, Erscheinungsraum, kommende Woche eine Sendung nur über Verhütung auf. weil: ich finde das auch alles sehr schwierig und manchmal schlicht frustrierend…

    2. Ich bin seit zwei Jahren mit NFP/ Sensiplan sehr zufrieden: http://www.sensiplan-im-netz.de/. Ich bin nur mit dem Buch (ohne Kurse, Übungsheft etc.) super zurechtgekommen. Etwas über die Hälfte meines Zyklus kann ich damit als sicher unfruchtbar identifizieren und für die restliche Zeit nutzen wir Kondome oder vergnügen uns anderweitig. Sicher kommen nicht alle damit klar, aber ich finde, einen Versuch ist es wert, zumal es eben gar nicht so kompliziert und aufwendig ist, wie es vielleicht scheint. Schlimmstenfalls lernt man ein bisschen was über den eigenen Körper und verhütet dann halt doch wieder anders.
      Ein Verhütungs-Podcast würde mich auch interessieren, vor allem, wenn es ein paar Infos und Gedanken zu den ein Schattendasein fristenden Verhütungsmitteln abseits der Hormone gäbe. Ich denke z.B. schon seit Längerem über Diaphragma oder Portiokappe als nachhaltige Kondom-Alternative nach, aber trau mich nicht so ganz ran.

  5. Hallo Katrin und Barbara

    Ich fand euren Austausch zu Konfliktsituationen sehr interessant. Ich hatte den Eindruck ihr habt dabei auch die Arbeitswelt gestreift und wollte Euch in vielen Eurer Beobachtungen und Einschätzungen zustimmen.

    Ich arbeite in einem Team mit 7 Frauen und 3 Männern. Ich hatte schon so oft ein „seltsames“ Gefühl, und war sehr erfreut als ich Euch darüber reden hörte. Es gab dem Ganzen Worte und Beschreibungen.
    Ich hatte mir daraufhin noch ein bisschen Gedanken gemacht und wollte meine Beobachtungen (nur in Bezug auf mein Team – das sollen keine Verallgemeinerungen sein) hier mal teilen:

    Katrin sprach von „fragilen“ Frauenfreundschaften. In meinem Team ist sehr viel Grüppchenbildung unter Frauen – allerdings sind diese „Freundschaften“ auch total oberflächlich und fragil in dem Sinne, dass sie abgebrochen werden, sobald eine der beiden Beteiligten das Gefühl bekommt die Karriere wird von der jeweils anderen Person bedroht.
    In dem Zusammenhang fällt mir auch auf, dass die Mehrheit der sieben Frauen Konkurrenzsituationen sehr stark meiden. Das kann natürlich mit persönlicher Preferenz zusammenhängen – ich habe aber den Eindruck die Angst vor dem Ausschluss aus der Gruppe spielt da eine größere Rolle.

    Frauen, die karriere-orientierter sind, werden als Fremdkörper wahrgenommen und es wird über sie, hinter deren Rücken Stimmung gemacht.

    Der Umgang unter den Frauen ist auch sehr oft intrigant, in dem Sinne, dass Gerüchte und Annahmen weitergetragen werden. Gleichzeitig mit der Message „aber bitte sage das niemandem“.

    Das Thema Neuzugänge ist in diesem Team auch sehr interessant:
    Als ich beispielsweise dazu stoß, musste ich mich regelrecht beweisen. Beweisen in einem sozialen Sinne >> e.g.: teile ich den gleichen Humor? Verstehe ich deren Humor? Bin ich leistungs-orientiert? Feiere ich gerne etc.

    Wir hatten zwei männliche Zugänge und da fielen mir währenddessen und im Nachhinein ganz andere Verhaltensweisen auf:
    Der eine Mann X wurde von Tag 1 ab auf Händen getragen. Teilweise empfand ich die Situation slapstick-haft, wie sich 2 bis 3 Frauen um diesen Mann scharrten, um ihm zu erklären wie das Email Postfach funktioniert.

    Der zweite Mann Y ersetzte unseren Vorgesetzten. Hier wird sehr darauf geachtet, ihn nicht zu verärgern und das richtige Verhalten (bspw. kopiere ihn nicht in zu viele Emails rein) zu antizipieren.

    Interessant finde ich in diesem Falle auch die Situation dass eine der weiblichen Kolleginnen eine mittlere Management Position inne hatte und länger in der Firma arbeitete als Mann Y. Ich denke, das könnte vielleicht eine fachliche Entscheidung sein – keine Ahnung. Interessant ist aber, dass diese Frau sich bedroht fühlte von einer anderen Kollegin, dass diese unsere Vorgesetzte werden könnte.

    Was ich mit diesem Beispiel sagen will: Als Mann Y die Position erhielt, schien das sehr willkommen von allen (Frauen) zu sein, gleichzeitig wurde Stimmung gegen die andere Frau gemacht, aus Angst diese könnte unsere Vorgesetzten Position erhalten.

    Ich persönlich konnte mich sehr damit identifizieren als, ich glaube Barbara, sagte, dass manche Frauen in Führungspositionen nicht daran denken anderen Frauen zu helfen aus Angst vor Konkurrenz. Wenn aber ein Mann das gleiche tut und der Management Position gefährlich werden könnte, scheint der Umgang anders zu sein.

    Ich möchte nochmal betonen, dass ich diese Beobachtungen allein auf mein Team beziehe. Auch hängt wahrscheinlich viel mit Organisationskultur (in meinem Fall ein klassischer „Boys Club“) zusammen und vll auch die Kultur des jeweiligen Landes wo man arbeitet.

    Wie dem auch sei. Euer Beitrag hat mich inspiriert, zum Nachdenken angeregt. Danke dafür und viele Grüße,
    Alex

    1. danke für deine Anmerkungen! klar sind das alles quasi Anekdoten. andererseits kann man vielleicht doch versuchen, das mit existierenden Studien zu verknüpfen. eben dass Frauen den Wettbewerb eher scheuen. oder die Frage, wie Mädchen und Jungen unterschiedlich erzogen werden. und dann gucken: wie könnte sich das eventuell auswirken.
      von daher ist das Zusammentragen solcher Erfahrungen schon wichtig. ich denke soziologische Forschung sollte das in quantitativen Untersuchungen auch verfolgen: auf dem Schulhof, auf dem Arbeitsplatz usw…
      liebe Grüße
      Katrin

  6. Auch wenn der Bezug auf die Schilddrüse auch mich ein wenig verwirrt hat (erzeugt keine geschlechtsspezifischen Hormone, so weit ich weiß…), war diese für mich eine Eurer besten Sendungen. Warum: weil ich begriffen habe, wie viel Sozialisierung und mangelnde Bildung zur Biologie und zum Umgehen mit anderen die Palette möglicher Interessen/Ausdrucksfähigkeiten/sozialen Kompetenzen usw einschränken. Als ich der Sendung zuhörte, stellte mir vor, wie der (meiner) Schulunterricht hätte sein können:
    (1) biologische Unterschiede M-F: Pubertät, Menstruation,… Leistungen beim Sport… …geschlechtsspezifischer Krebs….und wo es keine Unterschiede gibt
    (2) von Liebesromane zu Mathe: für alle!
    (3) (ganz wichtig) „respektvolles aber gleichzeitig assertives Umgehen mit anderen Menschen“ z.B. lernte ich erst mit etwa 35 den Ausdruck: „Wenn du ABC tust, fühle ich mich….. Das tut mir weh, kannst du dein Verhalten verändern, bitte?“ Früher ging es bei der Arbeit um Wer erst angreift, gewinnt…

    Ein solches Bildungsprogramm ist auf keinen Fall „Genderwahn“ oder „feministisch“, indem es gleich für alle ist, und hätte mich (und meine Kamerad_innen) viel besser auf das Leben vorbereitet. OK, man könnte sagen, Eltern sollten sich darum kümmern und/oder es geht um Lebenserfahrungen, aber warum nicht in der Schule? Meine Eltern hatten keine Ahnung (Generationsfrage).

    Danke noch ein Mal , Peter

  7. 2 Sachen möchte ich anmerken um das Thema etwas zu vertiefen.

    1. Von Frau Kathrin Rönicke wurde kurz angesprochen, das die Wissenschaft ’nichts weiß‘ (woher und wodurch weiß sie das?) Damit verbunden ist die feministische und poststrukturalistische Kritik an der Wissenschaft an sich. Letztendlich ist die menschliche Vernunft, kein geeignetes Werkzeug um die Welt zu erforschen.
    Alles was die Wissenschaft vermeintlich über die Welt und die Regeln bzw. Naturgesetze in ihr ‚herausfindet‘ sind soziale Konstrukte.
    Wissenschaftler sind deshalb nicht nur aufgrund ihrer Ausbildung, ökonomischen Klasse, sondern auch wegen ihres anerzogenen Geschlechts ‚biased‘ und so etwas wie Objektivität in der Wissenschaft ist nur eine Illusion?

    Was haltet ihr von dieser Art der Wissenschaftskritik und habt Ihr überhaupt vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse? Was haltet Ihr von Aussagen wie die von Judith Butler, das nicht nur Gender, bzw. Vorstellungen über das ‚Frausein‘ sozial konstruiert sind, sonder auch ‚Sex‘ also das biologische Geschlecht?

    2. Mit der Ablehnung der Vernunft geht die Ablehnung der persönlichen Individualität einher.
    Mensch betrachtet sich nur noch in Kategorien wie Mann/Frau, Cis/Trans, Homo/Hetero. Individualität, also etwas das diese Kategorien transzendiert ist verpönt – gleichzeitig wird jedoch die Konstruiertheit dieser Kategorien betont.

    Was haltet Ihr von dieser Art von Identitätspolitik im Feminismus? Schränkt es Frauen ein wenn sie sich mit einer Identität gemein macht, oder ist das notwendig um gemeinsame politische Ziele zu erreichen?
    Ist das ein Rückfall in voraufklärerische Zeiten, wo jeder seinen Platz von Gott zugewießen bekam, und heute nur noch angeblich die eigene Person Sozial konstruktiert wird? Oder ist die Affirmation bzw. das sich bewußtmachen der Konstruiertheit fortschrittlich?
    Oder ist das gar alles Unsinn, weil die Wissenschaft nichs konstruiert sondern tatsächlich Wahrheiten über die Tatsachen dieser Welt herausfindet?

    1. ich hab eigentlich das Gefühl, dass Barbara und ich jenseits der Schubladen unsere Position sehr klar gemacht haben und würde das jetzt ungern kaputt machen ^^
      und ich habe nicht gesagt, dass die Wissenschaft per se nichts weiß. so möchte ich das wirklich nicht verstanden wissen. es ging mir darum, dass sie gerne angibt mehr zu wissen, als sie wirklich weiß

      1. Es ging um ‚Bias‘ in diesem Podcast. Deshalb nochmal die Frage: Produziert Wissenschaft echtes ‚Wissen‘ oder ist alles Wissen durch Machtverhältnisse ‚biased‘ wie das die Queer-Theorie behauptet:

        „Was heißt das? Die Wissenproduktion steht nicht außerhalb der Machtverhältnisse. Wissen und Macht bedingen sich gegenseitig. Macht bringt bestimmtes Wissen hervor und Wissen Macht. Es gibt nicht die eine Wahrheit.“

        http://sanczny.blogsport.eu/2015/11/04/query-the-norm-eine-einfuehrung-in-queere-theorie-praxis/?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter

    2. zu 1. Der Begriff sozialer Konstruktion wird oft als „etwas, das eigentlich gar nicht existiert“ umrissen. Diese Übervereinfachung ist dem Versuch geschuldet, ein abstraktes Modell in möglichst wenigen Worten zu beschreiben ohne Fachvokabular zu benutzen. Natürlich sind solche Definitionsversuche letztendlich so etwas wie ein „Tabu“-Spiel.

      Im Zusammenhang mit biologischer Geschlechterforschung geht es hierbei ausschließlich um die Kritikmöglichkeit eines als axiomatisch angenommen Dimorphismus.

      Vereinfacht ausgedrückt: Es existieren harte Kritieren dafür, was wissenschaftliche Beweisführung ist und was nicht. Das Vorhandensein zweier deutlich voneinander unterscheidbarer Geschlechter wird in vielen sozial- oder naturwissenschaftlichen Forschungen ohne eine solche als gegeben vorausgesetzt. Es erscheint nunmal den meisten Menschen selbstverständlich. Diese Selbstverständlichkeit ist das, was man in der Soziologie als „soziales Konstrukt“ bezeichnet.

      Objektivität ist tatsächlich nicht mehr die Grundannahme moderner Forschung. Seit dem Zeitalter der Aufklärung ist der Anspruch an wissenschaftliche Modelle ihre Praktikabilität, nicht ihr Wahrheitsanspruch. „Objektive“ Wahrheiten sind eine Sache der Religion, nicht der Wissenschaft. Alfred Korzybski prägte dazu den Ausspruch: „Die Landkarte ist nicht die Landschaft“
      Auf konservativen Geschlechter-Landkarten sind sozusagen nur die Autobahnen verzeichnet. Konstruktivistische Geschlechterforscher*innen wie Judith Butler bemühen sich nun darum, die Landstraßen und Radwege zu ergänzen.

      Selbstverständlich sind Wissenschaftler*innen voreingenommen, weil mensch nunmal nicht Alles wissen und berücksichtigen kann. Es ist auch gar nicht nötig, Alles zu wissen, um wissenschaftliche Forschungsarbeit zu leisten. Dafür werden wissenschaftliches Modelle ja beständig überarbeitet, ergänzt und überholt.

      Es geht bei konstruktivistischer Forschung nicht um die Ablehnung von Vernunft, sondern im Gegenteil um ihre konsequente Anwendung ohne das Ziel einer „objektiven Wahrheit“. Hierbei handelt es sich um ein Mißverständnis von Mittel und Zweck.
      Wenn ich als Atheistin nicht daran glaube, dass ethisches Handeln mich in den Himmel bringt, heisst das ja auch nicht, dass ich ethisches Handeln ablehne, sondern bloß, dass ich nicht an einen Himmel glaube.

      2. Die Ablehnung persönlicher Identitäten ist ein ideologischer Kurzschluss, der dem Missverständnis geschuldet ist, die Erkenntnis eines „ist“-Zustandes sei irgendwie als Imperativ zu verstehen.
      Wer sich als Frau* in einer Situation befindet, in der sie häufig romantische und/oder sexuelle Gefühle für Frauen* entwickelt und gar nicht oder kaum für Männer*, und der Überzeugung ist, dass diese Situation dauerhaft ist, kann sich selbst als homosexuell beschreiben ohne aus dieser Situation einen Imperativ machen zu müssen.

      Die eigentliche Forderung der Queer-Bewegung ist Selbstbestimmung im wahrsten Sinne des Wortes.
      Ob eine Person in einem Körper geboren wurde, der von der Gesellschaft als „weiblich“, „männlich“ oder „uneindeutig“ definiert wird, sollte keine Auswirkungen darauf haben, welchen Respekt wir ihrer Identität entgegen bringen. Dafür braucht es auch keine neurologischen Unterschiede im Gehirn oder bestimmte Verhaltensweisen.
      Genauso brauchen wir auch bei sexuellen Orientierungen keine scharfen Trennlinien. Genau wie einem heterosexuellen Mann kann auch mal einer Lesbe passieren, dass sie mal zu einem Mann sexuell oder romantisch hingezogen fühlt. Das heißt auch nunmal nicht, dass sie plötzlich bisexuell ist, sondern nur dass eine einnehmende Persönlichkeit manchmal sehr viel wettmachen kann.

      Natürlich wären in einer idealen Gesellschaft solche Labels vielleicht gar nicht nötig. In der vorhandenen sozialen Realität brauchen wir aber eine Sprache, die diese reflektiert, um uns politisch betätigen zu können. Sexismus, Heterosexismus und Cissexismus machen es unumgänglich, dass sich entlang dieser Linien Widerstand formiert.

      Dieser Widerstand ist aber nicht möglich, wenn die Leidtragenden unterdrückender Systeme unsichtbar gemacht werden.
      Solange die gesellschaftliche Norm vorgibt, dass ein Mensch männlich, weiß, heterosexuell und cis ist, ist es verdammt wichtig, sich zu „outen“, wenn die persönliche Sicherheit es zulässt. Ohne das Sichtbarmachen marginalisierter Gruppen kann die vorherrschende Norm nicht aufgebrochen werden.
      Daher stimme ich zu, dass die angesprochenen Labels notwendig sind.

      Wenn wir sie in einem politischen Sinn begreifen, sollten wir allerdings von essentialistischen Definitionen Abstand nehmen. Wann immer sich politische Interessensgruppen über biologistischen Essentialismus definieren, ist ein böses Ende vorprogrammiert. In den USA führt das derzeit zu trans*feindlichen Hate Groups, die Gewalt gegen Trans*Frauen als Feminismus ausgeben.

      Kann irgendeine feministische Anschauung Frauen einschränken? Nein, Frauen sind niemals die Ursache für die Unterdrückung von Frauen.

      Ich persönlich halte zB Monogamie aufgrund der im Konzept enthaltenen patrilinearen Anteile für ein patriarchales Kernübel. Daraus leite ich allerdings ausschließlich Positionen für die Gleichberechtigung nicht-monogamer Lebensentwürfe ab und fange nicht an, verheiratete Frauen mit Steinen zu bewerfen. Wenn das Konzept sie nicht in ihrem Lebensglück einschränkt, wäre es kein Gewinn, ihnen diese Entscheidung absprechen zu wollen.
      Ich setze mich sogar für Ehe-Gleichberechtigung bzw gegen die Benachteiligung eingetragener Lebenspartnerschaften ein, auch wenn sich die Vorstellung, monogam zu leben, für mich persönlich wie Verrat anfühlen würde. Manchen Menschen, die nicht ich sind, ist nunmal die mit gesellschaftlich anerkannten Lebensmodellen einhergehende Lebensqualität in diesem Bereich extrem wichtig. Ich zahle ja auch meine Steuern obwohl ich damit letztendlich ein patriarchales Gesellschaftssystem finanziere.

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