Pflege und Feminismus. Mit Sophie Weißflog und Shirin Kreße (Barcamp Frauen 2019)

Shirin (mittig) und Sophie (rechts) in ihrer Session zu Pflege und Feminismus. Foto: Nora Tabel

Shirin und Sophie arbeiten in der Pflege und engagieren sich in den Arbeitsgruppen „Junge Pflege“. Auf dem Barcamp Frauen haben sie eine Session zur feministischen Auseinandersetzung mit Pflege gegeben. Für sie ist das Thema massiv durch patriarchale Strukturen geprägt, sei es, wenn es um die Bezahlung geht, aber auch wenn es darum geht, den Beruf als echte Profession anzuerkennen. Viele glauben zudem, dass Frauen eine Art „Kümmer-Gen“ hätten – alles das macht es den Menschen schwer, die in der Pflege arbeiten. Ob es helfen würde, wenn mehr Männer den Beruf ergriffen? – Sophie und Shirin sind da eher skeptisch. Das System und die Sozialisation von Jungen und Mädchen – da wollen sie ran! – Ganz urfeministische Anliegen also.

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7 thoughts on “Pflege und Feminismus. Mit Sophie Weißflog und Shirin Kreße (Barcamp Frauen 2019)”

  1. Ich freue mich sehr, dass dieses so wichtige Thema auch endlich Eingang im wunderbaren Lila Podcast gefunden hat. Erstmal ein herzliches Dankeschön an die zwei Vertreterinnen der AG Junge Pflege, die dieses Thema auf dem Barcamp Frauen zur Sprache gebracht haben.
    Ich habe häufig das Gefühl in Zeiten des immer extremer werdenden Personalmangels, dass dieses Thema eher belächelt und klein geredet wird. Ich bin aber der Meinung, dass sich die Personalsituation nicht ohne eine grundlegende feministische Diskussion über diesen Beruf lösen lässt, denn hier liegen viele Probleme, die überhaupt erst zu dieser Situation geführt haben.
    Wie bereits in dem Beitrag besprochen wurde, geht es natürlich um Bezahlung und die Frage, ob es sich dabei um eine Bezahlung handelt, die angesichts der großen Verantwortung die Pflegende tragen, angesichts von den Arbeitszeiten die Pflegende haben und angesichts von Flexibilität, die von Pflegenden erwartet wird (und damit einhergehend kürzere Erholungsphasen) und natürlich angesichts der heutigen Lebensstandards angemessen ist.
    Es geht aber auch um die Frage von Vereinbarkeit von Familie und Beruf, da es sehr viele Gesundheits- und Krankenpflegerinnen gibt, welche nur mit sehr geringem Stellenanteil in der Pflege arbeiten, da Arbeitszeiten in Vollzeit nicht mit Familie adäquat zu vereinbaren sind.
    Ein weiteres wichtiges Thema ist (Frauen-) Gesundheit und Gesunderhaltung im Beruf. Die Zahlen der Krankheitstage im Pflegeberuf sind im Durchschnitt höher als in anderen Berufen, vor allem in dem Bereich Schmerzen und Psychischen Erkrankungen. Weder der Bandscheibenvorfall noch die Depressionen sind anerkannte Berufskrankheiten in der Pflege, obwohl eben diese zu den meisten Krankheitstagen führen.
    Ein weiterer Punkt sind Aufstiegschancen für Pflegende und der generelle Punkt, wie paritätische das Gesundheitswesen aufgestellt ist. Erschreckenderweise muss man feststellen, dass selbst im Jahr 2019 die meisten Krankenhäuser und Einrichtungen zur Versorgung kranker Menschen nach wie vor zum Teil ausschließlich von Männern geführt und geleitet werden, obwohl immer mehr Frauen auch als Ärztinnen tätig sind, der Pflegeberuf sowieso weiblich dominiert ist und viele andere medizinische Berufe ebenso. Das führt dazu, dass Themen wie sexuelle Belästigung durch z.B. Pflegebedürftige entweder verharmlost oder komplett totgeschwiegen werden (ich kenne keine Pflegende, die im Rahmen ihrer Tätigkeit oder während ihrer Ausbildung nicht sexuell belästigt worden ist; häufige Reaktionen darauf sind: hab dich nicht so, der Mensch ist ja krank und meinte das bestimmt nicht so). Auch andere für Frauen Arbeitsplatz relevante Themen wie Vereinbarkeit etc werden durch nur männliche Geführte Unternehmen, wie es Krankenhäuser nun Mal sind, nicht bzw nur unzureichend thematisiert und angegangen.
    Häufig kommt der Einwand, dass sich die Pflege doch dann bitteschön solidarisieren soll und was ändern solle. Wie bereits im Beitrag erwähnt, wird aber auf der anderen Seite an das Gewissen von Krankenpflegerinnen appelliert, das z.B. streiken unmoralisch sei. Wie ich feststellen musste, vor allem im Rahmen meiner JAV Tätigkeit, ist Solidarität unter Pflegenden, wenn es darum geht Dinge zu verändern, nicht bzw sehr unzureichend vorhanden. Pflege wird häufig als „schlafender Riese“ bezeichnet, da wir eine Berufsgruppe sind mit über 1 Millionen Angehörigen. Prinzipiell ließe sich tatsächlich allein schon durch die Anzahl der Berufsangehörigen ordentlich was reißen, wenn man nur zusammen hielte. Und das ist genau der Punkt. Diesen Zusammenhalt, für eine gemeinsame Verbesserung der Sache einzustehen, sich zu engagieren, zu streiken scheint eine unüberwindbare Hürde zu sein. Mich erinnert das ein wenig an Simone de Beauvoir die damals schon die Problematik rund um Frauensolidarität beschrieb. Der Wille und die Gemeinschaft, für Verbesserungen im Gesundheitswesen einzustehen, ist verschwindend gering in Anbetracht der großen Anzahl an Pflegenden, was mich sehr traurig macht. Natürlich hat Shirin Recht wenn sie sagt, Frauen müssten lauter und fordernder sein, wenn es beispielsweise um Gehaltsverhandlungen geht. Ich würde aber behaupten, dass dies nur marginal dazu führt, das große ganze zu verändern.
    Entschuldigt bitte für den langen Kommentar, aber es ist für mich zu einem ziemlichen Herzensthema geworden. Ich könnte dazu hier noch seitenweise Kommentar schreiben, denn mit den oben genannten Punkten und auch mit den Punkten aus eurem Beitrag ist das Thema „Pflege und Feminismus“ noch lang nicht ausreichend umrissen und es gibt noch viele spannende Aspekte zu dem Thema.
    Würde mich freuen, von euch Lila Podcasterinnen noch mehr zu dem Thema zu hören in Zukunft 🙂 (Und natürlich auch von der AG Junge Pflege)

  2. Sorry, die Aussage, dass die Krankenhäuser das Geld haben ihre Pflegekräfte besser zu bezahlen stimmt schlichtweg nicht. Ich kenne kein Krankenhaus in Deutschland, welches seit der Abrechnung nach den DRG Fallpauschalen nicht in der Krise steckt, während die Krankenkassen sich die Taschen voll machen. Ich sehe es genauso, dass die Pflege völlig falsch bewertet wird und wesentlich besser bezahlt werden müsste. Das können nur die Krankenhäuser selbst leider nicht ändern. Da muss die Politik schon ran.

    LG Sandy, Oragnisationsenzwicklung Krankenhausverbund, 4500 Mitarbeiter

  3. Vielen Dank an Sophie und Shirin für ihre Teilnahme am Frauenbarcamp und für ihr Engagement in der AG Junge Pflege.
    Es ist wichtig festzuhalten, dass die Emanzipation eines Pflegeberufs nur feministisch erfolgen kann. Allerdings muss an mehreren Stellen angesetzt werden, als an der individuellen Lohnverhandlung von Frauen. Tatsächlich ist die Geschichte des Berufes sehr eng mit der Ausbeutung der (bürgerlichen) Frau verbunden und das hängt bis heute nach, was sich z.B. auch in der mangelnden Berufsorganisation zeigt.

  4. Liebe Leute, die Seite junge-pflege.de ist leider ‚down‘. Ich wollte die beiden gerne kontaktieren. Habt ihr da zufällig einen anderen Weg? Lg! Anne
    PS: Dürft gerne meine E-mail weitergeben, falls das zur Kontaktaufnahme i.O. ist.

  5. Es hängt ja alles zusammen. Wenn wir uns nicht gut um die Menschen kümmern, ist die ganze Gesellschaft krank und auch weniger leistungsfähig. Alte weiße Männer in der Wirtschaft und Politk sehen die Wichtigkeit der Carearbeit für ein gutes Humankapital oft nicht. Zum Beispiel diese ganze Privatisierung von Krankenhäusern und die Idee daraus Gewinne erzielen zu wollen, erkläre ich mir nur durch mangelndes Bewusstsein auf der männlichen Seite.

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