Hebammen am Limit: Politik ignoriert die Krise der Geburtshilfe

Erst wollte die Regierung das Pflegebudget kürzen, was die Arbeitsbedingungen für Hebammen weiter erschwert hätte. Dann machte Lauterbach einen Rückzieher – aber die Situation bleibt kritisch.

Eine Sendung mit Laura Lucas und Lena Sindermann

Jährlich werden in Deutschland rund 790.000 Kinder auf die Welt gebracht. Hebammen sind dabei vor, während und nach der Geburt für viele schwangere und gebärende Menschen unheimlich wichtig: sie klären auf, unterstützen, versorgen und können im besten Fall Ängste und Sorgen nehmen. Leider sind die Arbeitsbedingungen für viele Hebammen und Entbindungshelfer prekär. Zeitmangel, personeller Notstand und schlechte Bezahlung verursachen eine dauerhaft hohe Belastung, sodass viele Hebammen der Geburtshilfe den Rücken kehren. Einem Berufsfeld das fast ausschließlich von Frauen ausgeführt wird, war ja wieder klar!

Die prekäre Arbeitssituation von Hebammen belastet Frauen dabei doppelt: Als arbeitende Frauen leiden sie unter einem Gesundheitssystem, das ihrem Beruf keinerlei Wertschätzung entgegenzubringen scheint und als Schwangere sind sie ebenfalls die Leidtragenden, denen unter der Geburt oder bei entsprechender Vor- und Nachsorge nicht ausreichend medizinische Versorgung gewährleistet werden kann.

Was macht die Politik?

Laura Lucas und Lena Sindermann nehmen diesen Missstand in der heutigen Episode genauer unter die Lupe. Anlässlich des beinah in Kraft getretenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, das die Arbeitsbedingungen für Hebammen nur noch weiter erschwert hätte, rollen die beiden die Geburtshilfe mal von unten auf und fragen: Was geht im Gesundheitsministerium vor sich, dass die Arbeit von Hebammen weiter in die Ecke gedrängt wird? Wieso ist die Gesetzesänderung schließlich doch nicht umgesetzt werden und wieso bedeutet das für die Geburtshilfe trotzdem keine Verbesserung? Wieso sind Hebammen überhaupt so wichtig und welche Aufgaben übernehmen sie während, bei und nach einer Geburt?

Diese Folge zu Gast

Laura hat über diese Themen mit den engagierten Hebammen Kareen Dannhauer und Leonie sprechen können, die seit Jahren über Missstände im Feld aufklären und für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen kämpfen.

Links und Hintergründe

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3 thoughts on “Hebammen am Limit: Politik ignoriert die Krise der Geburtshilfe”

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag! Ich finde eine bessere Unterstützung der Hebammen und eine besser finanzierte Geburtshilfe sehr wichtig.

    Allerdings muss ich auch sagen, dass die Hebammen-Ausbildung und -Organisation auch auf Seiten der Hebammen aus feministischen Gründen dringend grundsätzlich überdacht werden muss. Meine Story:

    Vor einem Jahr ist mein zweiter Sohn zur Welt gekommen. Ich musste erschreckt feststellen, wie ich massiv von Hebammen bevormundet und bedrängt wurde, Dinge zu tun, die ich nicht wollte – die ihnen aber geschäftliche Vorteile bringen oder zumindest ihr (teils sexistisches, aber zumindest esoterisches) Weltbild befriedigen.

    Dazu gehört vor allem allerhand Esoterik: In der Vorsorge, während der Geburt und in der Nachsorge musste ich mich ständig rechtfertigen, dass ich weder Akupunktur, noch Homöopathie, noch Re-Birthing, noch Hypnobirthing, noch Taping oder anderen Unfug möchte. Ich wollte auch keine esoterischen Weleda-Produkten kaufen. Im Geburtsvorbereitungskurs verbrachten wir fast eine Stunde mit einer sehr unerfreulichen Diskussion zum Impfen oder die Gefahren von Ultraschalluntersuchungen. Dagegen hat mir niemand erzählt, wie man ein Kind richtig hält und was mich beim Baby-Blues erwarten wird.

    Zudem hatte ich leider größere Probleme mit dem Stillen, wodurch ich in einen mehrmonatigen Strudel aus Schuldgefühlen und Druck und Geschäftemacherei gedrängt worden bin. Darunter fragwürdige freie Stillberaterinnen, allerhand Tees, Esoterik und natürlich Osteopathie. Das Internet ist voll mit Hebammen-Artikeln und Podcasts, die das Nicht-Stillen offen oder verdeckt verteufeln (im Krankenhaus hingen Poster, die einem von vornherein ein schlechtes Gewissen machen sollen). Und das, obwohl es keine wissenschaftliche Evidenz gibt, die wirklich signifikante gesundheitliche Vorteile des Stillens zeigen (jenseits der Vormilch). Stillen ist praktisch – das weiß ich von meinem ersten Kind. Und man muss den Herstellern von Pre-Nahrung auch nicht sein Geld in den Rachen werfen, ok. Aber wenn das Stillen nicht klappt oder man keine Freude hat oder Alleinerziehend ist, muss klar gemacht werden, dass die Flaschennahrung dem Kind nicht schadet. (Tatsächlich hat mir da unser Kinderarzt als einziges gute Aufklärung und ein Gefühl von Autonomie geboten und keinen Druck ausgeübt)

    Ich finde in der Geburtshilfe wird gerade von Frauen auf Frauen massiver Druck ausgeübt, Idealen und Vorstellungen der Hebammen und anderer Mütter zu folgen. Und das ist ein echtes Problem. Vor allem, wenn dann irgendwelcher esoterischer Zusatzklimbim plötzlich Geld kostet oder – wie im Fall der Impfkritik – der Gesundheit der Kinder schadet.

    Und versteht mich bitte nicht falsch: Ich habe meine Hebamme im Krankenhaus und die Hebamme für die Vor/Nachsorge trotzdem sehr geschätzt, weil sie die richtige Empathie unter der Geburt und im Baby-Blues eingesetzt hat. Dieser Teil des Berufsbild wird leider nicht so honoriert, wie die Esoterik. Und ja, ich befürworte auch, dass frau mehr Wahlfreiheit hat – neben Krankenhäusern müssen Hausgeburten und Geburtshäuser bleiben und sogar gefördert werden.

    Von daher glaube ich aus Patientensicht, dass wir das Berufsbild der Hebamme in Deutschland tatsächlich dringend grundsätzlich überdenken müssen. Die Ausbildung. Die Arbeit der freien Hebammen und der Hebammen im Krankenhaus. Die Organisation in den Krankenhäusern und in der häuslichen Geburtshufe. Und wir müssen uns dabei dringend über Sexismus in der Geburtshilfe unterhalten, der sich von Frauen gegen Frauen richtet: Über überkommenen Bildern von Übermutterschaft, die gerade von Hebammen gerne propagiert werden. Über Stillideologie. Über Leistungsdruck zur „perfekten Geburt“. Über Bevormundung und Esoterik.

    1. Liebe Andrea,

      vielen Dank für deine Geschichte und die wichtigen Ergänzungen. Wie jeder Bereich in der Gesellschaft ist auch die Geburtshilfe nicht frei von internalisiertem Sexismus oder fehlt es oft an kritischem Hinterfragen insbesondere kapitalistischer Logiken. Immer da, wo jemandem etwas aufgezwungen wird, oder erklärt wird, wie etwas zu laufen habe, ist etwas gehörig falsch. Alles Liebe dir und Danke fürs Zuhören!

      1. Vielleicht ist das ja auch ein guter Grund warum es dringend mehr männliche Hebammen braucht: Um da bestehende Ansprüche und Sichtweisen in der Geburtshilfe zu durchbrechen, die von Frauen zu Frauen gerne transportiert werden. Analog zu dem was man von einem höheren Frauenanteil in technischen Berufen kennt. Aber dafür bräuchte es vermutlich gezielte Kampagnen und spezifische Spaces für Männer in der Geburtshilfe. (Und vor allem bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen)

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