Lila068 Teilzeit-Solidarität?

Linda Sarsour, eine Ikone und ein Kopf der Womens‘ March-Bewegung, ist klug, unterstützte Bernie Sanders aber auch: BDS – eine anti-semitische Boycott-Kampagne. Und nu? In dieser Folge geht es um Wege, wie Aktivist_innen damit umgehen könnten.

Wir Menschen sind nicht immer alle gleich gut. Wann macht man mal eine Faust in der Tasche? Wann muss man sich distanzieren? Bündnisse sind zweckdienlich – aber muss man bei Antisemitismus auch ne Faust in der Tasche machen? Vielleicht ist das gerade eine Chance, über Antisemitismus zu sprechen? Vielleicht wissen die Menschen gar nicht, warum es ein Problem und wie alltäglich?

Ansonsten haben wir diesmal gleich DREI Lese-Empfehlungen für euch, um die Zeit bis zum Frühling sinnvoll zu überbrücken.

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Barbara Streidl
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Katrin Rönicke
Intro: CC-BY-NC-ND ProleteR “April Showers” http://proleter.bandcamp.com/

 

Links und Hintergründe

Bücher:

  • Katrine Marcal, Machonomics
  • Podcast 4.000 mit Juli Zeh
  • Manfred Gortz auf twitter
  • Eine gebrochene Frau, Simone de Beauvoir, in Bezug auf Polyamorie

 

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17 thoughts on “Lila068 Teilzeit-Solidarität?”

  1. Ich fand es interessant, dass ihr auf Linda Sarsour eingangen seid – aber warum nur auf die Antisemitismusvorwürfe? Im verlinkten Artikel wird ihr ja noch deutlich mehr vorgeworfen unter anderem die ausgesprochen Frauenfeindliche Äußerung gegenüber Ayaan Hirsi Ali (einem Opfer von FGM zu sagen, dass man ihr die Vagina abnehmen möchte ist völlig geschmacklos und das ist noch nett ausgedrückt) und Saudi-Arabian dafür zu loben, dass es 14 Wochen bezahlten Mutterschutz gibt ist auch komplett daneben. Ich bin nicht in Verlegenheit auf einen amerikanischen Women’s March zu gehen aber bei solchen Vorsitzenden würde ich mich schon fragen, ob das überhaupt sinnvoll ist. Wenn man sich überlegt, dass pro-life feministische Gruppen explizit davon ausgeschlossen wurden, als assoziierte Vereine aufgeführt zu werden,obwohl sie sich soweit ich weiß deutlich gegen Trump und seine Äußerung und Haltung zu Frauen positioniert haben, ist der Vorsitz einer Frau, die Saudi-Arabiens sexistische Gesetze herunterspielt, mit antisemitischen Kampagnen verbunden ist und offensichtlich keinerlei Mitgefühl oder Takt im Umgang mit Ex-Muslimen oder Opfern von FGM zeigt, doch sehr fragwürdig. Ist Antisemitismus, Saudi-Arabien oder die Haltung zu Ex-Muslimen und FGM denn so viel weniger wichtig als Abtreibungsrechte? Nicht falsch verstehen, ich bin definitiv nicht pro-life, aber das ist schon verdammt scheinheilig.

    1. ich hab vor allem auf die Antisemitismus-Vorwürfe abgehoben, weil das ja auch mit Laurie Penny in Europa analog geht und die Frage nach BDS-Unterstützerinnen in den Reihen von Bündnissen hier eine brennendere ist. es war aber keinesfalls meine Absicht, zu unterschlagen, was Sarsour gegen Hirsi Ali gerichtet hat (fand ich auch wirklich hart und schmerzhaft, das zu lesen), noch wie sie teilweise islamistische Politik verharmlost.
      ich glaube eben, dass an diesem Fall Probleme zu sehen sind, die uns noch öfters begegnen werden. klar kann man sagen: muss man eben alle ausschließen! was soll’s? ¯\_(ツ)_/¯
      aber ich finde das unbefriedigend. ich finde es unbefriedigend, dass die Leute so wenig über Antisemitismus wissen. ich finde es unbefriedigend, dass auch hierzulande Feministinnen aus Angst vor Rassismen lieber dulden, dass Gewalt gegen Frauen verharmlost wird. das passiert ja alles. kurz: ich bin unzufrieden mit der Debattenkultur und ich glaube überhaupt nicht, dass Ausschlusskultur da etwas besser macht. ich möchte mir erlauben können, solche Themen auf den Tisch zu bringen und ich möchte mich mit Laurie Penny streiten können oder mit Linda Sarsour oder mit wem auch immer – ohne als Verräterin zu gelten.

      1. Hi Katrin,
        ich hatte nicht damit gerechnet, so schnell eine Antwort zu bekommen 🙂 Es stimmt definitiv, dass Antisemitismus ein Problem ist (Ich glaube, die Zeit hatte grade einen Bericht über einen Rabbiner, der durch Neukölln geht – wobei das sicherlich nicht besonders repräsentativ ist.
        Mein persönlicher Eindruck ist auch, dass so viele Feministinnen (besonders in den USA im Moment) Angst davor haben rassistisch zu sein, dass bei Muslimen, die sich engagieren, sofort Ja und Amen gesagt wird und gar nicht mehr nachgefragt wird während konservative Christen oft ziemlich genau unter die Lupe genommen werden auch wenn sie ganz offensichtlich gegen Trump stehen. Ich glaube die Position amerikanischer Katholiken ist z.B. da durchaus unterschiedlich – aber die sind halt pro-life oder gegen SSM und bei Christen geht das halt einfach nicht, bei Muslimen ist man da doch deutlich offener in alle möglichen Richtungen. Ich finde diesen Podcast (er ist nich besonders lang ca 10 min) von einer Ex-Muslima zu dem Anti-Trump Plakat mit dem Hijab auch interessant zu dem Thema.
        https://soundcloud.com/politeconversations/hijab-glorification-thoughts-on-the-shepard-fairey-poster
        Ich denke auch nicht, dass man Linda Sarsour unbedingt hätte ausschließen müssen. Für mich persönlich wäre sie ein Grund – wäre ich in der Position zu einem Women’s March gehen zu können – da nicht oder nur mit sehr geballter Faust hinzugehen (das Gefühl habt ihr super beschrieben). Im Grunde gebe ich dir völlig Recht, dass es doch möglich sein müsste, über solche Dinge zu reden, aber zumindst in den USA im Moment sehe ich nicht, dass das passiert. (In Deutschland eher auch nicht ehrlich gesagt aber ich bin jetzt auch kein Experte über die gesamte Landschaft feministischer Stimmen in den USA und Deutschland zum Thema)
        Außerdem stellen sich mir dann noch ganz andere Fragen: Gibt es denn keine amerikanischen muslimischen Aktivisten/Aktivistinnen, die nicht antizionistisch sind oder irgendwelche fragwürdigen Regime entschuldigen? Anders gesagt, gab es niemand, der als Muslima im Women’s March hätte vertreten sein können, außer Linda Sarsour?
        Ich denke auch, dass uns das Problem noch öfter begegnen wird und ich würde dich, solltest du dich mit Penny oder Sarsour streiten, ganz sicher nicht als Verräterin sehen. Ich sehe eher diejenigen als Verräter – (wobei das ein starkes Wort ist, ich denke ich sehe sie eher als Leute, die aus Angst als Rassist zu gelten oder aus Konfrontationsscheu oder so Wegschauen oder einen anderen Fokus setzten, also eher als Menschen, die halt ein bisschen feige sind, sind wir das nicht alle?) – die über Laurie Penny und Linda Sarsour etc. nicht sprechen wollen „jetzt wo Trump an der Macht ist“. Ich denke wie Claudia, dass sowohl die Sarsours und Pennys als auch die, die sie machen lassen, dem Feminismus (und dem Liberalismus) eher schaden als nutzen.
        Das ist ein ziemlich langer Kommentar sorry. Ich bin natürlich auch eine von denen, die erst kommentiert, wenn ihr etwas nicht so richtig gefiel, deshalb sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass ich euch sehr gerne höre und meistens nichts sage, weil mich nichts stört (anders ist besser, ich weiß)

  2. Hallo Katrin,

    Du hast auf Twitter gefragt , ob Teilzeit-Solidarität eine Lösung sein kann. Wenn ich Dich richtig verstehe, bedeutet das, dass ich für das größere hehre Ziel über möglicherweise kleinere „Vergehen“ oder störende Dinge hinwegsehen sollte oder könnte.

    Linda Sarsour ist zweifelsohne eine Antisemitin, die auch mit der Erziehung von Kindern zu Gewalttätern keine Probleme zu haben scheint.

    Und nein, ganz sicher werde ich auch nicht Teilzeit mit ihr solidarisch sein. Wie weit geht Teilzeit? 1% der Zeit? 99% der Zeit?

    Und wenn ich über Antisemitismus bereit bin, wegzuschauen, was wäre ich dann noch bereit, für eine kleine Auszeit über Bord zu werfen?

    Frauen wie Linda Sarsour, Laurie Penny und einige deutsche antisemitische, schariafreundliche Feministinnen schaden dem Anliegen des Feminismus .

    Ich würde mich ganz sicher mit diesen Frauen nicht an einer gemeinsamen Aktion beteiligen.

    Wenn ich daran denke, wie Laurie Penny auf Merle Stöver eingeschlagen hat, dann halte ich es für sehr ratsam, sich grundsätzlich von diesen Populistinnen fernzuhalten.
    Linda Sarsour geht mit Kritiker genauso wenig zimperlich um.

    Danke auf jeden Fall für den interessanten Podcast, ich werde jetzt öfter vorbeischauen.

  3. Hallo,

    auf die Gefahr, hier wieder der Mansplainer zu sein, aber die Gender-Pay-Gap-Statistik wird durch den kleinen Satz auf der verlinkten Seite:
    „Beschäftigte in der Landwirtschaft, in der öffent­lichen Verwaltung sowie in Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten werden nicht berücksichtigt.“ auf etwa ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland reduziert.
    Wir haben etwa 42 Min abhängig Beschäftigte AN in Deutschland, Doppelbeschäftigungen noch nicht bereinigt.
    Im öffentlichen Dienst sind etwa 10 Mio. AN beschäftigt, in den Unternehmen „bis zu zehn Beschäftigten“ sind knapp sind etwa 18 Mio. AN beschäftigt. Egal, ob da am Ende 0%, 9% oder 23% rauskommen, aber mit der Ausgangslage und insbesondere der Ausblendung des weiblich dominierten/TVÖD-durchgeregelten öffentlichen Dienstes ist die Aussage und Ableitung komplett unglaubwürdig.

    Ich wünsche allen anderen und mir eine geschlechtsneutrale/leistungsgerechte Bezahlung, aber auch eine faire Diskussion dazu.

    Gruß
    Christoph

    1. Muß mich selber korrigieren, habe gerade nochmal in den Zahlenwerken gewühlt:

      Kleinstunternehmen (weniger als 10 Mitarbeiter) beschäftigen in D „nur“ etwa 5 Mio. AN, also klammert das statistische Bundesamt nur die Hälfte der AN in D in der Betrachtung vom Gender-Pay-Gap aus. Macht für mich dennoch keinen Sinn…

      Gruß
      Christoph

  4. Hallo, ein wichtiges Thema, die so genannte Teilzeit-Solidarität, vor allem, wenn es jetzt vielleicht/hoffentlich bald wieder mehr solcher Bündnisse verschiedener Menschen finden, die für eine gemeinsame Sache kämpfen wollen und dabei doch einen jeweils sehr unterschiedlichen Hintergrund mitbringen. Persönlich finde ich als Begriff Schnittmengen-Solidarität noch treffender als Teilzeit-Solidarität. Und hier muss jede/r Einzelne prüfen, was denn außerhalb der gemeinsamen Schnittmenge die Menschen noch so mitbringen und wie sehr das das Thema der Schnittmenge vielleicht berührt oder auch beeinflusst, wo die Grenzen sind. Habt ihr ja schon benannt: Eine neonazistische Einstellung wäre ein Ausschlusskriterium, selbst wenn es irgendwo eine gemeinsame Schnittmenge gäbe, weil da eine absolute Grenze überschritten ist.

    Ansonsten habe ich mich über den Hinweis auf Simone de Beauvoir gefreut. Ich würde aber nicht von dieser Erzählung auf das tatsächliche Leben und Fühlen von Simone de Beauvoir schließen wollen (klang ein wenig so durch). „Eine gebrochene Frau“ ist Literatur.

    1. Liebe Nicola,
      schöner Begriff, „Schnittmengen-Solidarität“, da möchte ich dich gerne hier und da zitieren.
      Und den Unterschied zwischen Simone de Beauvoir als Mensch und als Autorin kenne ich natürlich, ist aber dennoch immer wieder gut, darauf hinzuweisen, dass das erzählerische Ich nicht automatisch die Autorin ist.
      Lieber Gruß!

  5. Bitte bitte verratet mir, wer verantwortlich ist für euren mega geilen Titelsong, den ihr zu Beginn und zum Abschluss abspielt. Der macht so extrem mitreißend gute Laune. Ich muss das wissen!

  6. Ich fand den Hinweis darauf, dass jmd. vor 5 Jahren oder in der Schülerzeitung mal etwas gesagt, vertreten oder geschrieben hat, unsachgemäß.

    Das ist ein anderer Fall, da kann man fragen ob sich die Person von der damaligen Aussage und Meinung entfernt hat. Darum geht es hier ja gar nicht, sondern es geht um den aktuellen Standpunkt der Frau Sarsour.

    Leider sind die Leute so divers und haben so unterschiedliche Gründe für und gegen was zu sein, so dass man immer mehr oder weniger faule Kompromisse schließen muss, wenn man ein Bündnis eingeht. Ich kenne das noch aus der Friedensbewegung, wo man oft die Nase gerümpft hat, wenn die DKP mit auf einem Aufruf stehen wollte, mit deren freiheits- und demokratieferner Moskautreue die meisten nichts zu tun haben wollten. Ich meine hier macht es einen Unterschied, ob man gegen die Unfreiheit rechter Diktaturen protestiert, wo man sich im Kern der Sache unglaubwürdig macht, mit solchen Bündnispartnern, die aus ganz anderen Beweggründen gegen Pinochet zum Beispiel demonstrieren, oder ob die Meinungsunterschiede für das Thema eher perifer sind (0-Tarif im ÖPNV).
    Allerdings ist „Gegen Trump“ natürlich ein Anliegen, das von sich aus schon sehr heterogen ist – man kann ja aus unterschiedlichsten Gründen gegen Trump sein, da sind die Meinungsverschiedenheiten vorprogrammiert.
    Dann würde ich noch mal einen Unterschied machen, ob eine Gruppe/Person mit ein Hauptveranstalter ist, einen öffentlichen Aufruf mitträgt oder nur einfach geduldet wird, dass sie auch mitmarschieren.
    In Deutschland stellt sich die Antisemitismusfrage natürlich schärfer, als in den USA, aber die Aussagen zu Frau Hirsi Ali wären da für mich schon die rote Linie gewesen. Was soll denn da noch die Schnittmenge sein, die man mit Frau Sarsour hat? Frau sein?

  7. Ich habe mir darüber im Sommer Gedanken gemacht. Ich bin aus verschiedenen Gründen ziemlich stark an Suizidprävention interessiert und da sitzt man dann plötzlich sehr schnell mit Abtreibungsgegnern an einem Tisch (Pro Life…). Und da hab ich mich auch gefragt. Will ich das? Darf ich das?

    Und ich finde das schon ziemlich schwierig, und es wird ja noch schwieriger je größer und heterogener Gruppen sind… Und natürlich kann man NICHT alle Leute überprüfen um festzustellen, was sie jemals gesagt oder gedacht haben. Aber größere „Verfehlungen“, die auch in der Zeitung stehen? Wobei ja auch Personen und Bewegungen nicht identisch sind, und die Womens March Bewegung nicht PER SE antisemitisch ist. (meines wissens).

    Und es hilft ja auch nicht, sich einzureden, dass es keine gemeinsamen Interessen gibt zwischen einem selbst und denen, deren Meinung man so gar nicht teilt…

  8. Interessante Perspektive von Barbara auf die Polyamorie. 🙂

    Zu diesem Thema kann ich das Buch „The Ethical Slut“ von Janet W. Hardy und Dossie Easton bzw. auf Deutsch „Schlampen mit Moral“ empfehlen.
    Der Titel mag erstmal abschreckend klingen, ist aber eine absolute Empfehlung, auch für Menschen, die gerne weiterhin monogam leben.

    Passend dazu hat eine Gastautorin, auf dem Blog makellosmag im Oktober 2016, einen Text zum Thema Polyamorie veröffentlicht.

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