Im zweiten Teil der Doppelfolge zu feministischen Perspektiven auf Männlichkeit beantworten Laura, Lena und Fikri Anıl Altıntaş Fragen von Hörer*innen.
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Thomas Gottschalk: Sexismus zur Prime Time
Im ersten Teil unserer Doppelfolge haben Lena und Laura sich mit der Kritik am Begriff „alter weißer Mann” beschäftigt. Und kaum war die Folge im Kasten, liefert Thomas Gottschalk in seiner letzten Sendung von „Wetten, dass …?” den unfreiwilligen Beweis dafür, wie zutreffend diese Chiffre immer noch ist. Nach einer kurzen Analyse geht es in die Sprechstunde.
Wir klären eure Fragen
Gemeinsam mit Fikri Anıl Altıntaş gehen Lena und Laura auf Fragen von Hörer*innen und Nicht-Hörer*innen zum Thema Männer und Feminismus ein. Wie geht man damit um, wenn Frauen in Debatten vermeintlich die „Ich-weiß-das-ja-wohl-besser-Keule” schwingen? Was tun, wenn die Freunde auf Kritik mit Ablehnung reagieren? Und wo überhaupt anfangen?
Wer den ersten Teil noch nicht gehört hat, hat die freie Wahl. Beides ist gewinnbringend: mit der Theorie in Teil 1 einsteigen oder mit der Praxis in Teil 2.
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Links und Hintergründe
- Silvi Carlsson mit einer sehr guten Video-Analyse zu David und Gottschalk und genau der richtigen Prise Kritik an der Rapperin
- Sarah Bosetti in ihrem Kommentar auch sehr stabil
- @wayofkatrin auf ihrem Instagram-Account zum Ableismus in der „Wetten, dass …?”-Sendung
- Laura Gelhaar zum selben Thema
- Artikel zum Thema Gottschalk:
- Focus
- tz
- Der Standard
- Watson (Wetten dass)
- Watson (Désirée Nick)
- Anıl erwähnt in der Sendung den Instagram-Account @prisonfeminism
-
- Lila Podcast: Feministische Mädchen großziehen
- Lila Podcast: Feministische Jungs großziehen
- Fikri Anıl Altıntaş: „Im Morgen wächst ein Birnbaum” erschienen bei Penguin/btb
Zur Kritik an Thomas Gottschalk
Mir fehlt an der breiten Kritik, die am Verhalten Gottschalks geübt wird, die Berücksichtigung seines Alters. Ich finde ich es sogar anmaßend von „unserer“ Generation, so über einen weisen alten Mann zu reden.
Ich möchte hier den Blick auf die eigenen Großeltern richten. Als meine Großeltern in einem ähnlichen Alter waren, wie Gottschalk heute ist, fehlte dort auch bereits die Bereitschaft, sich auf neue Dinge einzulassen, sich selbst zu hinterfragen und das eigene Verhalten zu verändern. Dazu zählte nicht nur, dass sie den Umgang mit neuen technischen Errungenschaften nicht mehr erlernen wollten, moderne Worte nicht korrekt ausgesprochen haben sondern auch, dass Sie bspw. das N-Wort benutzt haben oder andere Begriffe für Gruppen von Menschen verwendet haben, die aus heutiger Sicht ein NoGo sind.
Und auch, wenn uns dieses Verhalten missfällt, bin ich der Meinung, sollten wir auch in unserem eigenen Sinne akzeptieren, dass ältere Generation nicht bereit sind, die Werte der neuen Generationen mitzutragen. Denn für uns wird die Welt ähnlich verstörend wirken, wenn wir in hohem Alter nicht mehr bereit sind, unsere über Jahrzehnte erlernten Eigenschaften abzulegen. Wir „jungen“ Generationen sollten lernen, das Verhalten eines Menschen auch in Relation zu seiner Generation zu setzen und milder mit einem weisen alten Mann umzugehen.
Und damit das niemand in den falschen Hals bekommt: Ich finde das Verhalten auch befremdlich und unangebracht. Meine Maßnahme ist daher, dass ich mir Sendungen mit Gottschalk schon länger nicht mehr anschaue.
Beide Sendungen fand ich sehr interessant und durch euren Gast auch nochmal gut um eine weitere Perspektive ergänzt. Etwas schade fand ich, dass trotz des Titels „Are Men Okay“ die Perspektive sich größtenteils auf Männer als Problemfeld bzw potentielle Sexisten oder Antifeministen beschränkte. Diese Perspektive ist aus feministischer Sicht nachvollziehbar und sinnvoll, eine Erweiterung um den Bereich „In welcher Form leiden Männer unter dem Patriarchat“ wäre meiner Meinung nach trotzdem gut gewesen. Damit hätte im Sinne einer intersektionalen Betrachtung gezeigt werden können, dass viele Männer auf der einen Seite sexistische Normen reproduzieren und auf der anderen Seite gleichzeitig auch Opfer solcher Normen und Geschlechtserwartungen werden können, die von anderen Männern, Frauen und der Gesamtgesellschaft auf sie projiziert werden.
Dass euer Gast (in Teil 1) explizit nicht davon sprechen wollte, dass auch Männer „Nachteile“ durch Patriarchats und Sexismus erleben könnten und dass ihr meintet (ebenfalls in Teil 1), “ toxische Männlichkeit ist die gewaltvolle Verformung von Männern und Jungs und das ist für alle scheiße – in erster Linie für Frauen“ zeigt mir, dass da eventuell noch eine Lücke existiert, die vllt in einer anderen Folge aufgearbeitet werden könnte – nicht um das Leid von Frauen zu relativieren, sondern um die massive Schädlichkeit patriarchaler Gesellschaft noch mehr zu unterstreichen: Selbst Männer, die Personengruppe, die eindeutig am meisten vom Patriarchat profitiert, leiden parallel auch darunter.
Ich finde ja dass man als Feministin den Begriff „toxische M“ nicht weiter reproduzieren sollte. Denn dieser Begriff beinhaltet bereits die Zuordnung bestimmter Verhaltensweisen auf Männer – und reproduziert sie dadurch. Männlein wie Andrew Tate nutzen genau diesen Begriff als Orientierung für (aus ihren Augen) „richtige“ Männlichkeit. Fußballer reden von ihren neuen „femininen Seiten“, die sie „auch mal zeigen“. Damit werden dann letztlich doch wieder Stereotype reproduziert.
Bitte nennt die konkreten toxischen Verhaltensweise beim Namen: Sexistische Männer, Gewaltbereitschaft, Hierarchisierung, Empathielosigkeit usw.
Dadurch wird der Stereotyp nicht weiter reproduziert. Das hat auch den Vorteil, dass es klarer wird, was ihr unter „toxischer M“ versteht.
Im ersten Teil hat der Experte gemeint, dass es nur gefühlte Benachteiligungen von Männern gäbe und keine realen, weil das ja quasi alles freie Entscheidungen seien, also dass so viele Alkoholiker bzw. Suchtkrank werden, dass sie sich keine Hilfe bei psychischen Problemen suchen und dann Suizid begehen, dass sie nicht zu Vorsorgeuntersuchungen bzw. generell selten in eine Arztpraxis gehen, dass sie risikofreudiger Leben, gefährlichere Jobs machen wo es im Schnitt mehr Arbeitsunfälle gibt, schneller Autofahren, mehr Unfälle bauen usw. Ob das alles so freie Entscheidungen sind oder ob viele dieser Entscheidungen nicht auch was mit der „typisch männlichen“ Sozialisierung von klein auf zu tun hat die ein Selbstbild bzw. ein Ideal von dem was diese Männer gerne wären oder wie sie sich selbst gerne sehen erzeugt, welches vielleicht einen signifikanten Einfluss auf solche Entscheidungen hat ist eine andere Frage. Aber nichts desto trotz gibt es doch bestimmte Phänomene in den westlichen Gesellschaften zumindest, wo Männer ganz objektiv benachteiligt werden. Um drei Beispiele zu nennen, beim Kriegsdienst. Die Wehrpflicht in Deutschland galt sowie in den meisten anderen Ländern in denen es sowas gab nur für Männer. In der Ukraine sind es die Männer die gezwungen werden im Land zu bleiben und zu kämpfen. Die meisten Kriegstoten, also gefallene Soldaten sind Männer. Das zweite Beispiel ist das Sorgerecht und das dritte der sogenannte Gender Prison Gap. Also der Fakt dass die eine große Mehrheit der Gefängnisinsassen Männer sind und dass sie zumindest in den USA für die selben Verbrechen im Schnitt doppelt so hohe Gefängnisstrafen bekommen wie Frauen. Oder seht ihr das anders? Ein Gedanken den ich noch teilen möchte ist: Kann es vielleicht sein, dass aufgrund der Sozialisierung nach klassischen Rollenbildern nicht nur die Männer ein toxisches Selbstbild haben, sondern auch die gesamte Gesellschaft? Also ich meine, dass es „normal“ und „in Ordnung“ ist mit Männern kein Mitleid zu haben, weil Männer ja eh keine Gefühle haben, immer stark sein müssen, nicht weinen dürfen und daher auch kein Mitleid brauchen, also nach dem klassischen Rollenbild. Und dass die drei Beispiele die ich angesprochen hab vielleicht Manifestationen davon sind. Wenn ein Soldat im Krieg stirbt wird von einem ehrenvollen Tod gesprochen, das steht oft vielmehr im Vordergrund wie das Leid, dass dieser Mensch im Krieg erlebt hat. Und vor Gericht werden Männer härter verurteilt, weil die Gesellschaft mit ihnen weniger Emphatie und damit auch weniger Verständnis für sie hat. Deshalb die Frage: Wenn eine Gesellschaft dieses Rollenbild aufbrechen will, muss sie dann nicht nur ihre Jungs sondern vielmehr alle in dem Sinn erziehen, dass sie begreifen, dass Männer Menschen sind die nicht unverwundbar sind sondern auch verletzlich? Und dass es ok ist mal verletzlich oder schwach zu sein oder mal keine Ahnung von irgendwas zu haben und das offen zugeben zu können auch wenn man ein Mann ist? Muss die Gesamtgesellschaft das den Jungs und Männern nicht auch spiegeln als notwendige Vorbedingung für ein echtes Aufbrechen der Rollenbilder und einen ganzheitlichen gesellschaftlichen Wandel?